Interview

Verena Altenberger: "Sie war Superwoman"

15.12.2024

In „BACH – Ein Weihnachtswunder“ ist Verena Altenberger die starke Frau hinter Johann Sebastian Bach. Im Interview spricht sie über das unterschlagene Leben der Sängerin.  

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© ORF/ARD Degeto Film/MDR/BR/EIKON Media/epo Film/Ricardo Gstrein
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Es ist nur wenig über Anna Magdalena Bach bekannt. Im besten Fall weiß man, dass sie die Frau von Johann Sebastian Bach war und ebenfalls Musikerin. So ging es auch Verena Altenberger (37). Für den Historienfilm „BACH - Ein Weihnachtswunder“ (18. Dezember, 20.15 Uhr, ORF 2) tauchte die Schauspielerin in das Leben der begabten deutschen Sängerin ein und stellte fest, „was für ein klassischer Fall von männlicher Geschichtsschreibung das ist“. Durch die Vorbereitung auf den Film, der von der Entstehung des weltberühmten Weihnachtsoratoriums erzählt, konnte Altenberger viel über das Leben von Anna Magdalena in Erfahrung bringen und zieht im MADONNA-Interview den Hut vor ihr: „Die Frau war offensichtlich Superwoman und heute hat er das Ehrengrab in Leipzig und wir wissen kaum etwas über sie.“

Was hat Sie an dem Film „BACH – Ein Weihnachtswunder“ interessiert?
Verena Altenberger: Das waren unterschiedliche Sachen. Mich hat es erstmal gereizt, historisch zu drehen. Das habe ich noch nie gemacht. 50er-Jahre und 30er-Jahre habe ich schon gemacht. Das hat man öfter. Einen Film, der 1734 spielt, hat man sehr selten. Dann finde ich Regisseur Florian Baxmeyer ganz toll. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber es ist mir zwei oder dreimal passiert, dass ich Sachen gesehen habe und mir gedacht habe, da hat jemand eine Frauenrolle cool erzählt. Da war Florian Baxmeyer in der Regie. Als ich das Drehbuch mit dem Hinweis bekommen habe, er führt Regie, hatte ich die große Hoffnung, die auch gehalten hat, dass er diese Frauenrolle tiefgehend und vielschichtig erzählt. Ich finde auch Devid Striesow wahnsinnig lustig, ein toller Kollege, mit dem ich noch nie gearbeitet hatte.
Sie spielen Johann Sebastian Bachs Ehefrau Anna Magdalena. Was wussten Sie vorher über sie?
Altenberger: Ich hatte den Namen schon mal gehört. Dann habe ich angefangen, mich vorzubereiten. Ich hatte das großartige Drehbuch als Grundlage. Es ist eine fiktive Geschichte, die aber ungefähr so stattgefunden haben könnte. Das heißt, man lernt daraus etwas. Ich hatte eine sehr gute Musik-Historikerin, Susanne Wosnitzka. Eines ihrer Steckenpferde ist, Komponistinnen vor den Vorhang zu holen, die die Geschichtsschreibung vergessen hat. Dazu zählt Anna Magdalena Bach. Als Historikerin konnte sie mich gut in diese Zeit mitnehmen. Ich konnte mich in das Leben zu der Zeit und von dieser Frau richtig reinfühlen.

Was konnten Sie über ihr Leben als Frau in dieser Zeit lernen?
Altenberger: Das Erste, was mir entgegengeschlagen ist, ist, was für ein klassischer Fall von männlicher Geschichtsschreibung das ist. Man muss sich vorstellen: Zu Beginn ihrer Karriere und zu Beginn der Beziehung mit Johann Sebastian Bach war Anna Magdalena Bach der größere Star von beiden. Sie war eine gefragte Sopranistin, die an Höfen gesungen hat, wo er sich beworben hat und nicht genommen wurde. Sie hat mehr verdient als er. Ich habe mir immer vorgestellt, wenn die beiden über den Marktplatz gegangen sind, hat man ihr ehrfurchtsvoll zugenickt und nicht ihm. Dann würde man über die Familie Bach, die so viele Menschen waren, mit allen Vettern, die da gewohnt haben, den Kindern und seinen Kindern aus erster Ehe, wahrscheinlich sagen, das war ein Familienunternehmen. Sie war Geschäftsführerin des Familienunternehmens. Nebenbei hat sie 13 Kinder bekommen. Die Frau war offensichtlich Superwoman und heute hat er das Ehrengrab in Leipzig und wir wissen kaum etwas über sie.

Was weiß man über die Ehe der beiden?
Altenberger: Was man, glaube ich, sagen kann, ist, die beiden haben sich wirklich geliebt. Das war keine Vernunftehe, sondern da haben sich zwei Künstler-Persönlichkeiten in die andere Person und auch in die Kunst der anderen Person verliebt. Man weiß von Johann Sebastian Bach, dass seine Sopranarien irrsinnig anspruchsvoll sind. Das liegt daran, dass er im Kopf immer für seine Frau komponiert hat. Abgesehen davon war er vermutlich sehr schwierig und sie unfassbar kompetent und empathisch.

Fühlt man bei solchen Rollen etwas wie eine Verpflichtung, sie zu präsentieren?
Altenberger: Ich habe meinen Rollen gegenüber immer ein großes Verantwortungsbewusstsein. Ob sie fiktiv oder real sind, ist egal. Auch bei fiktiven Rollen gibt es einen Menschen, den die Themen betreffen. Insofern empfinde ich immer dieses Verantwortungsbewusstsein, Anwältin für meine Figur zu sein, sie zu durchdringen und nachvollziehbar darzustellen. Sodass man Empathie für diesen Menschen generieren kann, auch wenn dieser Mensch nicht zwingend gut oder sympathisch ist. Bei Anna Magdalena kommt dazu, dass ich mir dachte, in Wirklichkeit müsste die Geschichtsschreibung korrigiert werden. Ob wir jetzt wirklich die Geschichtsschreibung korrigieren, sei dahingestellt, aber so ein Film hat die Kraft, viele Menschen zu erreichen. Wenn man dazu beitragen kann, dass Anna Magdalena Bach mehr ist als ein Name, den man vielleicht mal gehört hat, finde ich das sehr, sehr wichtig und auch sehr, sehr schön. Ich muss aber dazusagen: Es ist ein Film über das Weihnachtsoratorium und das hat Johann Sebastian Bach geschrieben. Sie bräuchte eigentlich einen eigenen Film.

Haben Sie einen Bezug zum Weihnachtsoratorium?
Altenberger: Ehrlich gesagt, nein. Ich kannte das Weihnachtsoratorium. Mit kennen meine ich, ich habe es schon mal gehört, aber ich war nie in einer konzertanten Aufführung. Es ist kein Teil unserer Familientradition. Da, wo ich herkomme, ist eher der Andachtsjodler, das Stück, das zu Weihnachten performt wird.

Ist Musik in Ihrem Leben wichtig?
Altenberger: Ich habe eigentlich fast Angst vor Musik. Ich höre sie, wenn ich sie höre, sehr zielgerichtet und bewusst. Ich nutze das in meiner Arbeit. Ich habe für jeden Film eine eigene Playlist, wo die unterschiedlichsten Lieder drauf sind, die bei mir unterschiedliche Emotionen auslösen und das sehr schnell. Das sind Emotionen, die ich für den Film oder eine spezielle Szene brauche. Die erarbeite ich mir ganz oft über Musik. Weil Musik bei mir so schnell in die Emotionen und Erinnerungen reinfährt, bin ich im Privaten vorsichtig. Wenn ich zu Hause eine Playlist laufen habe, und da hüpft mir ein Lied rein, kann mich das zum Beispiel sehr schnell sehr traurig machen.

Weihnachten steht vor der Tür. Sind Ihnen Traditionen da wichtig?

Altenberger: Ja, das ist mir total wichtig. Ich komme aus Dorfgastein, die ganze Familie kommt aus den Bergen, und Weihnachten war bei uns schon immer eine Mischung aus katholischer Inszenierung und alpenländischem Aberglauben. Ich liebe das. Was bei uns sehr ernst genommen wird, sind die Rauhnächte. Diese Nächte rund um Weihnachten, wo man mit Weihrauch und Weihwasser durch alle Räume, durch den Stall geht, alle Ecken ausräuchert, das Böse, das Alte hinaustreibt und das Neue, die positive Energie einlädt. Es riecht immer nach Weihrauch und es hat etwas Rituelles, das ich mag. Es hat sehr viel Mystik und Ruhe und wird sehr ernst genommen. Es gibt kein Jahr, in dem diese Bräuche nicht gemacht werden und das finde ich schön. Auch beim Essen: Ich habe zu Weihnachten noch nie was anderes gegessen als Nudelsuppe, also Würstelsuppe mit Nudeln, und Kletzenbrot.  

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