Das Wunder von Kärnten
25 Stunden im Wald: So tapfer war Franca
14.09.2012
Wie sich die kleine Franca (5) von den Strapazen erholt.
Kärnten
Nur 16 Stunden nach dem Ende ihrer Odyssee wirkt Franca
(5) erstaunlich robust: Die kleine Heldin hat wieder ihr fröhliches Kinderlachen gefunden. Sie malt, spielt mit ihrem Hund „Chica“. Stellt sich sogar kurz den Fragen der Journalisten. Fast könnte man glauben, die Fünfjährige hat die 25 Stunden mutterseelenallein im dichten Wald ohne Schock überwunden.
Doch der Schein trügt. Fragen über ihren Opa, Details über ihre einsame Nacht will die kleine Heldin aus Nötsch in Kärnten nicht beantworten. Sie blockt ab. Fängt an zu weinen. Klammert sich ängstlich an ihre Mama Helga Druml.
Am Tag zwei ihrer Heimkehr übermannt Franca zusätzlich die Müdigkeit. Sie schläft fast den ganzen Tag. Die geplante Befragung durch psychologisch ausgebildete Kriminalistinnen muss verschoben werden.
Berührend
Dennoch, das Schicksal inklusive Happy End der vermissten Franca hat für 25 Stunden ganz Österreich bewegt. „Der Schmerz und die Angst waren gewaltig“, erzählt Francas Mama. Und es ist unglaublich, wie instinktiv richtig Franca gehandelt hat.
Chronologie
Am Montag gegen 18 Uhr geht Franca bei einem Spaziergang (vier Kilometer von Zuhause entfernt) verloren. Nur für drei Minuten lässt ihr Opa sie aus den Augen. Das genügt. Das Drama nimmt seinen Lauf. Als Franca ihren Opa nicht mehr sieht, weint sie, beschließt aber, selbst nach Hause zu gehen. „Sie ist den Weg sicher schon 30 bis 40 Mal gegangen. Aber sie hat eine falsche Abzweigung genommen“, so die Mutter. Die größte Suchaktion des Landes Kärnten beginnt. 250 Freiwillige und Polizisten sind im Einsatz.
Eine ganze Nacht verbringt das süße Mädel alleine im stockdunklen Wald. Franca isst Wurzeln und Erde, trinkt Bachwasser. Als sie sich in die Hose macht, zieht sie ihre Kleidung (nur das T-Shirt nicht) und die Schuhe aus. Sie überquert ein ausgetrocknetes Flussbett. Am Dienstagabend erreicht sie den Radweg, nur 500 Meter von Zuhause entfernt. Um 18.41 Uhr entdecken sie zwei Radfahrer. Sie sagt ihren Namen, ihre Adresse und wer ihre Mama ist. Kurz darauf fallen sich Mutter und Tochter in die Arme.
"Unglaublich, wie meine Tochter das schaffte"
ÖSTERREICH: Ihre Tochter tauchte nach 25 Stunden Abwesenheit wieder auf. Wie geht es Ihnen nach der Rückkehr?
Helga Druml: Es waren die schlimmsten zwei Tage in meinem Leben. Als ich Franca in die Arme nehmen durfte, war das eine solche Euphorie, das kann man gar nicht beschreiben. So schrecklich das Gefühl vorher war, so irre waren die Emotionen, sie dann in die Arme zu nehmen. Man erlebt eine Hochschaubahn der Gefühle. Es war, als wäre Franca ein zweites Mal geboren. Als um 18.41 Uhr, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, die Meldung kam, dass sie die Radfahrer gefunden haben, war ich irrsinnig froh. Ich hatte nämlich schon Angst vor der nächsten Nacht.
ÖSTERREICH: Was glauben Sie, wie hat sich Franca verlaufen?
Druml: Franca war sicher schon 30 bis 40 Mal bei
den Fischteichen oberhalb des Schlosses. Am Montag hat sie aber Opa nicht mehr gesehen. Sie wollte ihm nachlaufen, hat sich bei einer Weggabelung vertan und leider die falsche Abzweigung genommen.
ÖSTERREICH: Wieso haben die Einsatzkräfte Franca nicht gefunden?
Druml: Der Waldweg, den meine Tochter gegangen ist, ist plötzlich zu Ende, und man muss ein breites ausgetrocknetes Bachbett überqueren. Die Hunde haben hier gestoppt, und die Hundeführer meinten, dass sie dieses Bachbett nicht überqueren kann. Aber Franca hat es geschafft. In der Nähe muss sie wohl auch die Nacht verbracht haben.
ÖSTERREICH: Können Sie sich erklären, wie Ihre Tochter die Nacht überleben konnte? Wie sie das geschafft hat?
Druml: Das ist für mich selbst ein Phänomen. Meine Tochter hat Erde gegessen und Wurzeln gekaut, sie hat zwischendurch Wasser aus dem Bach getrunken. Sie sagte mir später, es war richtig grauslich, aber trotzdem hat sie daraus getrunken. Freunde haben mich immer wieder beruhigt und mir gesagt, das Franca Instinkte hat, die sie richtig einsetzen wird.
ÖSTERREICH: Warum ist Ihre Tochter in dieser Phase so stark gewesen?
Druml: Sie ist ein sehr resolutes Kind und überhaupt nicht ängstlich. Diese Eigenschaft kann auch, wie man gesehen hat, sehr gefährlich werden. Franca war immer schon sehr mutig.
ÖSTERREICH: Wie hat Franca Ihnen den Moment beschrieben, als sie plötzlich die Radfahrer gesehen hat?
Druml: Sie hat ihren Namen gesagt und ihre Adresse und wer ihre Mama ist, und sie war richtig glücklich, dass plötzlich wieder Menschen da waren. Es waren die ersten Menschen, die sie seit über 24 Stunden zum ersten Mal gesehen hat. Natürlich hatte sie auch Durst und Hunger. Ich bin wirklich überwältigt, dass sie diese Situation so gut überstanden hat. Was mich beeindruckt hat: Das ganze Dorf hat mitgesucht, die Leute sind nicht zur Arbeit gegangen, sie haben Franca gesucht. Der Rückhalt aus der Bevölkerung war irrsinnig toll. Bei allen, die unermüdlich nach Franca gesucht haben, möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
ÖSTERREICH: Wie werden Sie nun die nächsten Tage verbringen?
Druml: Wir werden uns zurückziehen und nur für Franca da sein. Die Psychologen haben uns geraten, die ersten Tage am besten mit niemandem Kontakt zu haben.