Nach Mord an Leonie

Afghanen: "Das schadet uns allen"

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Rund 44.000 Afghanen ­leben in Österreich, viele ­davon gut integriert. Sie ­erzählen von ihrer Ankunft und ihrem neuen Leben. Zum Fall Leonie sagen die Afghanen: „Wir verurteilen diese Tat zutiefst!“ So sind wir nicht, ist ihnen ein Bedürfnis, klarzustellen. 

Wien. In der Steiermark ist man voll des Lobes für Ali. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Hoteldirektor Hannes Wagner vom Thermen­hotel Vier Jahreszeiten in Loipersdorf. Ali ist Afghane und mit subsidiärem Schutz in Österreich. Er kocht mit dem Küchenchef (Bild oben) schmackhafte Gerichte und spricht schon recht gut Deutsch. Auch wenn er ziemlich schweigsam ist. Neben ihm arbeiten noch zwei weitere Afghanen im Restaurant, einer davon heißt Mahdi. „Mahdi redet viel, ist super im Service, gefällt den Gästen, und auch das Schreiben – das nicht einfach war – meistert er mittlerweile. Er hat die Lehrabschlussprüfung mit gutem Erfolg bestanden“, sagt Wagner. „Ja, die Afghanen haben eine andere Kultur, andere Werte, aber jeder Mensch ist verschieden. Omid ist sehr westlich eingestellt, Mahdi ist sehr gläubig und kam zur Weihnachtsfeier des Hotels in einem orientalischen, traditionellen Kaftan und hörte besondere Musik.“

Arbeit, Wohnung, integriert – und trotzdem abgeschoben

Abgeschoben. Sehr zufrieden war auch der Chef von Qamar Abbas. Abbas war Lehrling in einem Gastronomiebetrieb in Lustenau, Vorarlberg, und gut integriert. Als es plötzlich hieß, er müsse abgeschoben werden, setzte sich das ganze Dorf für ihn ein. Vergeblich. 2018 ritten die Einsatzkräfte bei dem jungen Mann ein, der eine Wohnung hatte und einer geregelten Arbeit nachging und somit leicht zu fassen war. Die Abschiebung erfolgte, wie sich jetzt herausstellte, zu Unrecht (siehe rechts).

Afghanen in Wien

Der INSIDER traf auch mehrere gut inte­grierte Afghanen in Wien – der Obmann des afghanischen Kulturvereins, Ghousudden Mir, ermöglichte das Treffen. „Viele arbeiten am Donnerstag, deshalb kann ich Ihnen nicht alle präsentieren. Es sind sehr gut integrierte junge Leute, sie sprechen sehr gut Deutsch“, sagte er im Vorfeld. Und tatsächlich, die beiden jungen Afghanen erzählten in ausgesprochen gutem Deutsch ihre Geschichte in einem kleinen Café in Wien-Floridsdorf.

Wunsch nach Arbeit und Angst vor den Taliban

Ramaki ist 31 Jahre alt, trägt lange Haare und war in seiner Heimat ein bekannter Moderator bei Tolo TV. „Bis die Taliban wollten, dass ich für sie arbeite“, sagt er. Er floh 2016 nach Österreich, ist mittlerweile anerkannter Asylwerber und möchte hier arbeiten. „Das ist momentan sehr schwie­rig wegen Corona“, meint er. Vielleicht gebe es auch Vorurteile gegen Afghanen bei vielen Geschäftsleuten. Sein Kollege Ghorwall (28) erkannte ihn im Flüchtlingslager in Österreich – so bekannt ist der Moderator Ramaki. Ghorwall hat Medizin in Afghanistan studiert, flüchtete und möchte hier sein Studium fortsetzen. Er besucht eifrig Deutschkurse und engagiert sich so­zial. Trotzdem hat er bereits zwei negative Asylbescheide. Sein Verfahren dauert mittlerweile fünf Jahre: „Ich will hier leben und studieren“, sagt er. Seine Flucht führte ihn über den Iran und die Türkei, von wo ihn Schlepper nach Europa brachten. Ghorwall und Ramaki sind geschockt vom Fall Leonie (die Tatverdächtigen sind junge Afghanen): „Wir verurteilen diese Tat zutiefst. Das schadet uns allen“, sagt Ramaki betrübt.

Schwierige Integration nach der Ankunft in Österreich

Experte Mir. Seit den 1990er-Jahren lebt Ghousuddin Mir, der Obmann des afghanischen Kulturvereins AKIS, in Österreich. Ein österreichischer Diplomat half dem höflichen Afghanen dabei. Mir ist mittlerweile österreichischer Staatsbürger, sein Verein feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. „Die Ankunft in Österreich ist für viele Afghanen sehr schwer“, sagt Mir. „Vierzig Prozent können nicht lesen oder schreiben und sind kulturell ganz anders geprägt als Europäer. In Afghanistan herrscht seit 40 Jahren Krieg.“

Sprache ist der Schlüssel

Deutsch zu lernen ist für Mir der Schlüssel zur Integration, er sagt: „Wertekurse sind ­nötig.“ Er hat selbst eine „Anleitung zur erfolgreichen Integration in Österreich für afghanische Flüchtlinge“ verfasst – in Deutsch, Dari-Persisch und Paschtu. Der Familie von Leonie spricht er sein Beileid aus. Und: „Wir hoffen, dass die Täter mit der höchsten Strafe bestraft werden und bedauern von ganzem Herzen, dass dies die Tat nicht ungeschehen machen kann.“ Straffällige Asylwerber sollen laut Mir abgeschoben werden. Gut Integrierte sowie Arbeitswillige sollen bleiben. 

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