Neben zahlreicher Anteilnahme seitens von Politik und Kultur am Tod Liese Prokops gibt es auch kritische Stimmen.
Unter die durchwegs positiven Würdigungen der überraschend verstorbenen Innenministerin Liese Prokop (V) haben sich am Dienstag auch kritische Töne gemischt.
Eine Reaktion der Hilfsorganisation "Asyl in Not" hat am Dienstag für Empörung gesorgt. ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka zeigte sich "bestürzt" und sprach von "pietätlosen Hasstiraden" auf die verstorbene Ministerin. Entsetzt reagierten auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos und BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz.
"Gute Meldung zu Jahresbeginn"
"Asyl in Not"-Obmann
Michael Genner hatte in einer Aussendung vom Montag mit Verweis auf Fälle
von Asylsuchenden in Österreich die Nachricht vom Ableben Prokops als "gute
Meldung zum Jahresbeginn" bezeichnet und gemeint: "Kein anständiger Mensch
weint ihr eine Träne nach."
Große Empörung
Lopatka bezeichnete "die hasserfüllten
Worte" Genners als "abscheulich, menschenverachtend und fernab jeglicher
Pietät". Die NGO solle sich ernsthaft die Frage stellen, "ob dieser Obmann
noch tragbar ist". Die Aussagen von Genner seien "unter keinen Umständen zu
akzeptieren". "Bei allem Respekt vor unterschiedlichen politischen Ansichten
wurde von Genner gegen jede Pietät vor einem verstorbenen Menschen
verstoßen", so Lopatka.
Ähnlich äußerte sich auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos: Genners Aussagen seien "unwürdig, pietätlos und würden auch inhaltlich einer ernsthaften Diskussion nicht stand halten". Derartige Aussagen seien überdies der Sache der NGOs insgesamt "nicht dienlich". Er forderte Genner auf, seine Äußerungen zurückzunehmen, "im Sinne seiner eigenen Organisation und im Sinne der Möglichkeit, auch künftig einen ordentlichen Dialog aufrecht erhalten zu können".
BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz sprach von einer "unglaubliche Entgleisung". Genner habe mit diesen Aussagen bewiesen, "dass er keinen Funken von Anstand und Charakter besitzt". Diese "pietät- und herzlosen Äußerungen" seien "nicht nur unangebracht, sondern angesichts des Gedenkens an einen verstorbenen Menschen auf das Schärfste zurückzuweisen". "Asyl in Not" habe einmal mehr gezeigt, "dass sie kein dialogfähiger Ansprechpartner für die künftigen Integrations- und Sicherheitspolitik in unserem Land ist", so Grosz.
Kritik von HOSI
Kritik an der Politik Prokops kam außerdem von
der Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, Bettina Nemeth. "Bei
allem Verständnis für die Betroffenheit angesichts ihres Todes darf nicht in
Vergessenheit geraten, dass der Name Prokop für eine menschenverachtende
Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts steht", so Nemeth.
Neues Asylgesetz brachte Verschlechterung
Das unter Prokops
Federführung entstandene und im Juli 2005 verabschiedete Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz habe "noch nie dagewesene Verschlechterungen für
Österreicher mit Ehepartnern aus Nicht-EWR-Ländern" gebracht.
Zahlreiche Lesben und Schwule seien durch Prokops Gesetz "in die
Emigration gezwungen", weil es für sie unmöglich geworden sei, mit dem
gleichgeschlechtlichen Partner aus einem Nicht-EWR-Land in Österreich
zusammenzuleben, erklärte HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler.
"Bei aller Trauer über den Tod Prokops sind wir es den Leidtragenden ihrer Politik schuldig, dass über die vielen Schattenseiten ihres Wirkens jetzt nicht einfach gnädig der Mantel des Schweigens gebreitet wird", hieß es in der Aussendung.
Kritik auch von SOS-Mitmensch
Nach der Homosexuellen Initiative
(HOSI) hat sich am Dienstag auch SOS-Mitmensch kritisch über die politische
Arbeit der verstorbenen Innenministerin Liese Prokop (V) geäußert.
Angesichts der nahezu ausschließlich positiven Würdigungen der verstorbenen
Innenministerin sehe man sich gezwungen, ebenfalls Stellung zu nehmen, so
die Menschenrechtsorganisation. Und die Bilanz Falle aus menschenrechtlicher
Sicht negativ aus.
Man habe "vollstes Verständnis für die Betroffenheit über das plötzliche Ableben der Innenministerin", der tragische Anlass dürfe aber nicht dazu genutzt werden, "die Fremdenpolitik der letzten Jahre zu vermarkten", sagte Sprecher Philipp Sonderegger. Die verstorbene Innenministerin habe zwar das Gespräch mit einigen Organisationen gesucht, letztlich habe sie sich "außer beim Kindergeld-Erlass immer gegen die Menschenrechte entschieden", verwies Sonderegger auf "die Androhung von Zwangsernährung, die exzessive Ausweitung der Schubhaft oder die existenzielle Bedrohung binationaler Paare".
Auch der "Ton gegenüber Menschen an den Peripherien der Gesellschaft" habe sich "unter Mitwirkung der verstorbenen Innenministerin verschärft", erinnerte SOS-Mitmensch an die Aussage "45 Prozent der Moslems seien integrationsunwillig" oder an die "Weigerung Prokops sich beim Folter-Opfer Bakary J. namens der Republik zu entschuldigen".