Polizei sagt: "Unmöglich, dass niemand etwas bemerkt hat"
Was passierte mit Carina L. (16)? Das Mädchen liegt mit Schädelbasisbruch im Koma. Die Polizei sucht jetzt 10 Zeugen des Vorfalls.
Der "Fall Carina L." – es wird immer mysteriöser. Wie berichtet, stieg das 16-jährige Mädchen Samstag früh in Loosdorf (NÖ) putzmunter aus einem Zug aus – und lag zwei Minuten später schwerst verletzt und bewusstlos am Bahnsteig. Das Mädchen liegt auf der Neurologie im Landeskrankenhaus St. Pölten weiter im Koma.
10 Zeugen
Was die Polizei bisher weiß:
- Als Carina um 8.32 Uhr aussteigt, befanden sich rund 100 Passagiere im 300 Meter langen Zug, der 11 Minuten zuvor in Carinas Heimatgemeinde Pöchlarn abgefahren war. Rund 10 Personen stiegen in Loosdorf ein oder aus – alles potenzielle Zeugen, die die Polizei jetzt sucht. Bisher hat sich nur eine Frau gemeldet, die keinen Hinweis geben konnte.
- Fakt ist auch: Keiner der 10 Zeugen hat dem Mädchen geholfen. Denn um 8.34 Uhr schlägt ein Mann, der im abfahrenden Zug sitzt, Alarm. Er sieht das Mädchen am Boden liegen. Gruppeninspektor Wolfgang Gric: "Jemand muss etwas gesehen haben. Es ist sicher, dass die Verletzung am Bahnsteig passiert ist. Laut Ärzten ist die Verwundung so schwer, dass sie keinen Zentimeter mehr hätte gehen können".
- Das Mädchen hatte außer dem schweren offenen Schädelbasisbruch keinerlei Verletzungen. Gric: "Keine Schürfwunden. Nicht am Ellbogen, nicht an den Handflächen. Sie hat sich beim Fallen nicht abgestützt". Schlussfolgerung: Carina dürfte nicht gestolpert sein. Zudem stellten die Ärzte laut Polizei keinen Herzstillstand oder einen Kollaps fest.
- Als das Mädchen gefunden wurde, lag ihr Handy daneben – offenbar wollte sie gerade telefonieren.
- Fremdverschulden, etwa ein Schlag auf den Kopf, ist weiter möglich.
- Drogen oder Alkohol waren nicht im Spiel. Das ergab ein Bluttest im Spital.
Gutachten
Heute wird ein Gutachter bestellt. Dieser soll klären, wodurch die Verletzung entstanden ist. Klar ist: Feinde hatte das Mädchen keine. "Wir haben das gesamte Umfeld untersucht. Nichts", so Gric. Auch ein Suizidversuch wird ausgeschlossen.
Carina L. hatte es im Leben bisher nicht leicht: Der Vater verließ sie und ihre Geschwister, die Mutter starb an Krebs, Carina wohnte bei ihrer Schwester Daniela.
Die Familie zittert jetzt am Krankenbett. Ein Aufweckversuch am Dienstag scheiterte. Der Gehirndruck war zu groß. Laut Ärzten wird das Mädchen noch ungefähr zwei Wochen im Koma liegen. Nicht nur für die Familie, auch für Freunde und Kollegen ist der Vorfall ein Schock. Angelika Hofmann, Chefin des Gasthof Hofmann, wo Carina in die Lehre geht: "Furchtbar. Carina ist ein ganz liebes, fleißiges Mädchen."
Hinweise: Polizeiinspektion Loosdorf, Tel.: 059133/3134.
Carinas Bruder: "Das Aufwachen klappt nicht"
Harald Heigl (32), Bruder von Carina. (c) TZ Österreich/Niesner
Die ganze Familie bangt. Carinas Bruder Harald Heigl (32, kaufmännischer Angestellter) erzählt, wie er und die Schwestern jetzt Carina helfen.
ÖSTERREICH: Seit Samstag liegt Ihre Schwester im Koma – wie geht es Ihnen nach diesem mysteriösen Unfall?
Harald HEIGL: Naja, den Umständen entsprechend würde ich sagen. Aber es ist schon eine total schwere Zeit für mich.
ÖSTERREICH: Carina liegt im LKH St. Pölten auf der Neurologie. Wie oft haben Sie ihre Schwester schon im Krankenhaus besucht?
HEIGL: Ich war bisher schon zweimal bei ihr im Spital. Am schlimmsten war es am Dienstag für mich, als die Ärzte probiert haben Carina aus dem Koma zu holen. Doch es hat nicht geklappt, der eingeleitete Aufwachvorgang musste dann wieder zurückgestellt werden. Meine Schwester Carina musste im Koma bleiben.
ÖSTERREICH: Wie bewältigen Sie dieses schlimme Drama?
HEIGL: Gerade jetzt ist die ganze Familie sehr eng zusammengerückt und wir unterstützen uns alle gegenseitig in dieser schweren Zeit. Wir hoffen nur das Beste.