Prozess-Start
A4-Drama: Todesschlepper grinst vor Gericht
21.06.2017
71 Tote in LKW: Boss der Bande kassierte 300.000 von Flüchtlingen.
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Gier dominierte, bewusst nahmen sie den Tod der Flüchtlinge in Kauf (siehe Protokoll unten). Seit Mittwochfrüh stehen in Ungarn zehn Mitglieder jener Schlepperbande vor Gericht, die am 26. August 2015 71 Flüchtlinge in einem Kühl-LKW umbrachte. Ein Mann ist noch auf der Flucht: Mord und Schlepperei werden ihnen vorgeworfen. 15 Syrer, 21 Afghanen, 29 Iraker und fünf Iraner erstickten damals qualvoll in dem Lastwagen, der an der Autobahn bei Parndorf gefunden wurde.
Der Todeslaster. (c) APA
Afghane dirigierte eine 11-köpfige Schlepperbande
Provokant. Hauptangeklagter in dem Prozess ist Lahoo S., 30, ein Afghane. Die Angeklagten kamen in Handschellen, begleitet von vermummten Beamten, in das Gericht. Nur einer grinste: Lahoo S., Kopf der Bande. Er sorgte gleich für einen Eklat, lehnte den Dolmetscher ab: „In Afghanistan gibt es 30 Dialekte, ich kann nichts verstehen“, sagte er zu Richter Jadi.
Kassiert. Mehrere Stunden dauerte allein die Verlesung der Anklageschrift. Insgesamt 31 Schlepperfahrten führte die Bande durch. 1.200 Menschen wurden geschmuggelt. 300.000 Euro hat allein der Afghane kassiert. Seine bulgarischen Fahrer bekamen zwischen 300 und 3.500.
Urteil. Anfangs wurden „nur“ 30 bis 40 Personen geschleppt. Zuletzt saßen bis zu 100 im LKW. Vier weitere Prozesstage sind im Juni geplant, Urteil noch in diesem Jahr.
Das Todes-Protokoll
Während der Fahrt von Morahalom an der serbisch-ungarischen Grenze bis Parndorf im Burgenland wurden alle Telefonate der Schlepper aufgezeichnet. Das Todes-Protokoll.
FAhrer IvAjLo S.: „Sie haben an der Tankstelle sehr stark geklopft.“
MeTodI G.: „Ivo soll den LKW weiterfahren. Er soll so tun, als ob er sie nicht hört. Ihr werdet nicht auf einer Tankstelle, sondern auf einem Rastplatz halten.“
Todorov N.: „Ich weiß nicht, wo wir anhalten können, um Diesel einzufüllen. Was können wir machen? Sie sind Abschaum!“
MeTodI G.: „Kannst du bitte den Leuten sagen, dass sie für fünf Minuten aufhören sollen, zu klopfen und zu reden. Er sagt, er hat Angst, die Türen zu öffnen, weil die Leute dann sofort auf das Feld rennen.“
SAMSoor L.: „Nein! Das geht nicht, dass er die Tür aufmacht! Dann kommen alle raus! Sag ihm, er soll weiterfahren. Falls sie sterben, soll er sie in Deutschland im Wald abladen.“
Todorov B.: „Wenn wir auf einem Parkplatz halten, werden sie alles zerschlagen. Und drin kreischen Frauen, schreien, heulen.“
SAMSoor L.: „Ich ficke alle! Er soll ihnen sagen, dass er sie lieber sterben lassen würde. Das will ich.“
IvAjLo S.: : „Wenn sie weiter so klopfen, wird man es an der Grenze hören. Dort gibt es Polizei.“
MeTodI G.: „Ich denke, dass sie keine Luft bekommen, ich bin mir 100 Prozent sicher, es ist weniger das Wasser und der Durst das Problem. (...) Du sollst weiterfahren, das ist das Wichtigste. Er muss es nur bis Österreich schaffen.“
IvAjLo S.: „Sie schreien einfach die ganze Zeit, du kannst dir gar nicht vorstellen, was hier los ist, wie sie schreien.“
Am 26. August gegen sechs Uhr früh passiert der LKW die Grenze zu Österreich. Alle sind tot. Der LKW mit den 71 Leichen wird auf einem Pannenstreifen der Autobahn bei Parndorf stehen gelassen. Gerichtsmediziner skizzieren beim Prozess: Die ersten Flüchtlinge (Kinder) starben nach einer Stunde. Am längsten dürften die Männer überlebt haben – bis zu drei Stunden.