Urteil ist nicht rechtskräftig

Anschläge auf ICE-Züge geplant: Lebenslange Haft

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44-jähriger Iraker am Wiener Landesgericht als gescheiterter IS-Attentäter verurteilt.

Wien/Nürnberg/Berlin. Der 44-jährige Iraker Qaeser A. ist am Donnerstagabend am Wiener Landesgericht als gescheiterter IS-Attentäter zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die acht Geschworenen zeigten sich - weitgehend einstimmig - davon überzeugt, dass der Mann im Namen der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" im Jahr 2018 in Deutschland vier Versuche unternommen hatte, ICE-Züge zum Entgleisen zu bringen. Ein Schwurgericht (Vorsitz: Wolfgang Etl) verhängte dafür die Höchststrafe.

Die Anschläge waren gescheitert, da zunächst metallversetzte Holzkeilkonstruktionen zu kurz waren und später zwischen Oberleitungsmasten quer über die Geleise gespannte Stahlseile, die Personenzüge aus der Bahn werfen sollten, zwar gewaltige Lichtblitze und Sachschaden an den Triebfahrzeugen, aber keine Katastrophe bewirkten. Während der Mann wegen mehrfachen versuchten Mordes als terroristische Straftat, schwerer Sachbeschädigung als terroristische Straftat und terroristischer Vereinigung schuldig erkannt wurde, wurde seine mitangeklagte Ehefrau freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte der 33-Jährigen vorgeworfen, in die Vorbereitungshandlungen eingebunden gewesen zu sein und ihren Mann hinsichtlich der Tatausführung bestärkt zu haben. Die Beweislage dafür reichte den Geschworenen nicht aus. Die Entscheidungen des Gerichts sind nicht rechtskräftig.

Inkriminierte Sabotage-Akte zugegeben

Der mutmaßliche IS-Terrorist hatte in der zweitägigen Verhandlung die inkriminierten Sabotage-Akte an den Bahngeleisen zugegeben, aber zugleich versichert, er habe nie vorgehabt, damit Zugentgleisungen herbeizuführen. Er habe Aufmerksamkeit erregen und Deutschland bzw. die EU zum Abzug der Truppen aus dem Irak bewegen wollen. Um das zu erreichen, habe er an den Anschlagsorten IS-Bekennerschreiben hinterlegt, ohne mit der Terror-Organisation etwas zu tun gehabt zu haben. Er habe "Dummheiten begangen", gab der 44-Jährige vor Gericht wörtlich zu Protokoll: "Das, was ich gemacht habe, ist ein großer Fehler gewesen. Es war unüberlegt."
 
Verteidiger Wolfgang Langeder hatte bekräftigt, der 44-Jährige habe nur zum Schein vorgegeben, im Namen des IS zu handeln. Vor einem Einzeltäter "hätte sich niemand gefürchtet", sagte Langeder.
 
Die Geschworenen folgten jedoch der Argumentation von Staatsanwalt Markus Berghammer, der diese Verantwortung in seinem Schlussvortrag "reinen Schwachsinn" nannte. Der in seiner Heimat vorgeblich politisch verfolgte Mann war 2012 nach Österreich geflüchtet. Im Jänner 2013 wurde ihm Flüchtlingsstatus zuerkannt, im November desselben Jahres kam im Rahmen einer Familienzusammenführung seine um elf Jahre jüngere Ehefrau nach. Mit vier minderjährigen Kindern lebte das Paar nach außen hin unauffällig in einer Simmeringer Gemeindewohnung.

Schon bei der Einreise aktive Kontakte zum IS

Schon bei seiner Einreise nach Österreich soll der 44-Jährige aber aktive Kontakte zum IS unterhalten haben. Regelmäßig kommunizierte der Asylberechtigte mit einem in der Schweiz lebenden Iraker, der 2017 in der Schweiz als Kopf einer IS-Zelle verurteilt wurde. Laut Anklage radikalisierte sich der in einem Supermarkt beschäftigte Familienvater zusehends, schließlich soll er beschlossen haben, Anschläge im Namen des IS zu verüben.
 
Zu diesem Zweck reiste der Mann laut Staatsanwaltschaft zunächst nach Paris und Marseille, um nach geeigneten Anschlagzielen Ausschau zu halten. Ein Artikel in einem Online-Magazin des IS brachte ihn dann auf die Idee, in Deutschland ICE-Züge mittels Balken-Konstruktionen zum Entgleisen zu bringen. Er soll sich dafür umfangreiches Fachwissen in Eisenbahnwesen und Zugtechnik angeeignet, in einem Baumarkt Bauteile besorgt und in der Abstellkammer seiner Wohnung die Tatmittel hergestellt haben.
 
Am 25. Jänner 2018 befestigte er laut Anklage vor dem Herannahen eines ICE Holzkeile mittels Ketten und Metallteilen auf Bahngeleisen in Allersberg, einem Vorort von Nürnberg. Außerdem hinterließ er eine Box mit einer SD-Karte, auf der eine Rede des ehemaligen IS-Sprechers Abu Mohammad Al-Adnani abgespeichert war. Der geplante Anschlag scheiterte, weil die Keile zu kurz waren, um einen ICE aus der Spur zu bringen.

Er hinterließ ein islamistisches Graffito

Am 19. August 2018 tauchte der Mann wieder in Allersberg auf und legte - wie die Staatsanwaltschaft ausführt - diesmal vier statt zwei Holzteile in Form von Balkenschuhen mit aufgesetzten Keilen und Metallketten auf die Geleise der Schnellbahnstrecke zwischen Nürnberg und München. Zudem hinterließ er an einer Eisenbahnbrücke ein islamistisches Graffito. Im Vorfeld hatte er außerdem ein Schreiben aufgesetzt, in dem er mit weiteren Attentaten auf ICE-Züge in ganz Europa drohte. Auch diesmal wuchtete ein ICE beim Aufprall das Hindernis auf die Seite, ohne dass gröbere Folgen eintraten.
 
Daraufhin änderte der 44-Jährige seine Pläne. Am 7. Oktober 2018 begab sich der IS-Sympathisant - nach seiner Festnahme Ende März 2019 wurde bei einer Hausdurchsuchung einschlägiges Propagandamaterial sichergestellt - wieder nach Allersberg und spannte ein Stahlseil schräg über die Geleise, das er an zwei Oberleitungsmasten befestigte. Um 23.19 Uhr kollidierte ein mit 160 Passagieren besetzter ICE mit einer Fahrtgeschwindigkeit von 204 km/h mit dem Stahlseil, was Schäden an der Frontscheibe sowie am Lack des Triebwagens, aber nicht mehr bewirkte.

Er vergaß Vorlage für Drohschreiben im Drucker

Darauf hin zielte der 44-Jährige gemäß nicht rechtskräftigem Urteil auf einen Anschlag in Berlin ab. In einem Copyshop am Wiener Westbahnhof stellte er Kopien eines Drohschreibens her - die Vorlage vergaß er allerdings im Drucker, was in weiterer Folge wesentlich zu seiner Ausforschung beitrug.
 
Am 15. Dezember 2018 warf der Angeklagte an der Berliner S-Bahn-Station Karlshorst ein Seil mit zu Hakenkrallen gebogenen Eisenstangen über die Oberleitung, um wiederum einen Personenzug entgleisen zu lassen. Allerdings touchierte dann ein Güterzug mit dem Hindernis, was einen Lichtblitz zur Folge hatte, wodurch der Oberleitungsmast beschädigt wurde.
 
Der 44-Jährige legte gegen seine Verurteilung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Der Staatsanwalt gab zum Freispruch für die Ehefrau, die noch in der Nacht auf Freitag nach rund eineinhalb Jahren U-Haft auf freien Fuß gesetzt wurde, keine Erklärung ab. Die 33-Jährige hatte jede Tatbeteiligung abgestritten.
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