ÖSTERREICH im Lager
Arigonas Geschwister wollten zu Fuß zur Mutter
24.12.2008
15 Monate Trennung von der Mutter war für die vier Geschwister von Arigona genug: Sie flüchteten zu Fuß aus dem Kosovo und sitzen jetzt in einem Lager in Ungarn fest.
Das Flüchtlingslager von Bekescsaba hat man sich als noch trostlosere Ausgabe von Traiskirchen vorzustellen. Wachposten patrouillieren hier mit Schlagstöcken. ÖSTERREICH-Reporter Andreas Lexer und Photographin Lisi Niesner gelingt es dennoch, in den abweisenden Bau vorzudringen. Alban Zogaj (19), der Älteste, empfängt uns mit seinen Geschwistern Alfred (17), Albin (9) und Albona (7). Das Zimmer müssen sie mit einem fünften Albaner teilen, den sie auf ihrer irrwitzigen Flucht durch die Wälder kennengelernt haben. Der Flucht, die sie in der Nacht auf vergangenen Sonntag an diesen ungastlichen Ort geführt hat.
Sechs Stunden Fußmarsch
"Es geht uns ganz gut, wir haben es
warm und was zu essen“, sagt Alban. Und dann erzählt er von seiner
abenteuerlichen Flucht. Alban Zogaj: "Im Kosovo konnten wir nicht mehr
bleiben, mussten das Haus verlassen, weil das Geld für die Miete ausgegangen
ist.“ Die österreichischen Betreuer der Zogajs sprechen davon, dass
Schlepper im Spiel gewesen wären. Dem widerspricht Alban Zogaj: Im Bus wären
die vier Geschwister am Donnerstag zur serbisch-ungarischen Grenze
aufgebrochen. Dort ging’s zu Fuß über die grüne Grenze und dann sechs
Stunden lang im eiskalten Regen durch die Wälder.
ÖSTERREICH sprach im Asylantenheim in Ungarn mit Alban Zogaj, dem Ältesten der Geschwister. Er beschreibt die Zustände dort.
ÖSTERREICH: Wie geht es euch? Seid ihr ausreichend versorgt?
Habt ihr schon mit Arigona und eurer Mutter telefonieren können? |
Als die Kleinen völlig entkräftet und durchnässt waren, stießen sie auf ein Lokal am Waldrand – eine Art Disco. Wie sie später erfuhren, waren sie in der Nähe der südungarischen Stadt Szeged. In der Disco verlangte Alban ein Taxi, doch der Lokalbesitzer holte die Polizei, die sie schließlich nach Bekescsaba brachte, das große Flüchtlingslager an der rumänischen Grenze.
Flucht angekündigt Betreuer und Verwandte hatten in den Wochen zuvor versucht, ihnen die „Flucht“ zurück nach Österreich auszureden, die von den Zogaj-Kindern angekündigt worden war. Die Verzweiflung der vier im Kosovo war kurz vor Weihnachten einfach zu groß. In Österreich hatten sie vor ihrer Abschiebung im September 2007 fünf Jahre im oberösterreichischen Frankenburg gelebt. Seitdem waren sie von ihrer Mutter und ihrer Schwester Arigona getrennt. Anträge auf Schülervisa für Albin (9) und Albona (7) wurden bisher abgelehnt.
Asylantrag
Ob die Kinder bald ihre Mutter in die Arme schließen
können, ist ungewiss. Zumindest konnte mittlerweile der Telefonkontakt
wiederhergestellt und ihnen ein Anwalt zur Seite gestellt werden. Ein
Asylantrag wurde gestellt, Ungarn entscheidet in den kommenden 14 Tagen über
die Abschiebung.
Indes werden auch in der Politik Stimmen laut, das Drama um die Familie endlich zu beenden. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) appellierte gestern an Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), gerade zu Weihnachten ein Herz zu zeigen und zumindest den Kleinen endlich die Schülervisa zu erteilen.
(c) Foto: Lisi Niesner