Verteidigerin: "Er ist nicht das Ungeheuer, als das er dargestellt wird."
Ein steirischer Arzt und Bruder eines Politikers soll jahrelang seine vier Kinder gequält haben. Laut Ankläger fügte er sich selbst starke Verletzungen zu und zwang sie, ihm danach zu helfen. Auch Selbstmorddrohungen sollen häufig passiert sein. Der Angeklagte stritt bei der Verhandlung am Freitag alles ab und sprach von einer "unerträglichen Situation" wegen Ehestreitigkeiten.
"Jahrelange schwere psychische Leiden"
Staatsanwalt Christian Kroschl schilderte die "jahrelangen schweren psychischen Leiden" der vier Kinder, die heute 18 bis 28 Jahre alt sind. Als sie noch Minderjährige waren, soll der Vater sie dauernd mit Selbstmorddrohungen unter Druck gesetzt haben. Außerdem verletzte er sich mehrmals selbst, was er auch nicht leugnete. "Der Druck war so groß", meinte er. Er gestand, sich selbst einen Schraubenzieher in den Bauch gestochen zu haben und von seiner Tochter verlangt zu haben, ihn herauszuziehen. Von seinem damals zehnjährigen Buben verlangte er, ihm eine intravenöse Injektion zu setzen. "Ich hatte starke Schmerzen", war seine Begründung für das für das Kind offenbar sehr traumatische Erlebnis. Auch soll er die Kinder gezwungen haben, verdorbene Nahrungsmittel zu essen, führte der Staatsanwalt an.
"Warum behaupten Ihre Frau und die Kinder das, wenn es nicht stimmt?", fragte Richter Andreas Rom. Die krankhafte Eifersucht seiner Frau und seine permanente Überarbeitung hätten zu den Spannungen geführt, meinte der Beschuldigte. Die Eifersucht war offenbar nicht ganz unbegründet, unterhielt er doch bis zu vier Beziehungen zu anderen Frauen gleichzeitig. Und das, obwohl er nach eigenen Angaben von halb sechs Uhr früh bis spät in die Nacht nur arbeitete und sich um die Kinder kümmerte, kochte und den Haushalt besorgte. Seine Frau - ebenfalls Ärztin - habe in der Zwischenzeit nur für sich eingekauft. "Sie wollte Prada-Schuhe und ist weinend heimgekommen, weil es ihre Größe nicht gegeben hat", beschrieb er den häuslichen Alltag.
Famile in psychotherapeutischer Behandlung
Eine Scheidung wollte er nie, denn er sei ein "sehr konservativer Mensch", betonte der Angeklagte. "Wie passt das mit ihren vier Beziehungen zusammen?", fragte die Anwältin der Opfer. "Das interessiert uns hier nicht, und wenn er einen Harem hat", unterband der Richter derartige Diskussionen. Sehr wohl interessierte den Vorsitzenden, ob der Arzt seinen Kindern tatsächlich Schlafmittel zur Verfügung gestellt hat und zumindest die Tochter damit in die Abhängigkeit trieb. "In so kurzem Zeitraum wird niemand süchtig", wiegelte er ab. Dass er die Kinder zum Essen von verdorbenen Nahrungsmittel gezwungen haben soll, bestritt er: "Da war einmal eine Pizza, und die war schon abgelaufen, die haben sie dann nicht gegessen. Und auf der Marmelade war ein Belag, den habe ich weggewischt, aber die Brote mussten sie nicht essen."
Die ganze Familie war jahrelang in psychotherapeutischer Behandlung, was er normal fand. "Ich war auch 15 Jahre in Therapie, aber jetzt bin ich stabil." Das soll nun nach Meinung des Gerichts ein Psychiater abklären, der ein Gutachten über die Zurechnungsfähigkeit des Arztes - der nach wie vor seine Praxis betreibt - erstellen soll. Bis zu diesem Ergebnis wurde die Verhandlung vertagt.