Der 68-Jährige soll zahlreiche nicht erbrachte Leistungen verrechnet haben.
Ein praktischer Arzt hat sich am Montag wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs am Wiener Straflandesgericht verantworten müssen. Im Zuge des Prozesses, der im Oktober startete, wurden dutzende ehemalige Patienten als Zeugen einvernommen. Dem 68-Jährigen wird vorgeworfen, der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen gestellt zu haben. Mit einem Urteil ist am 2. Dezember zu rechnen.
Der Schaden beträgt laut Staatsanwaltschaft mehr als 700.000 Euro. Der Angeklagte hatte sich bereits am ersten Verhandlungstag teilweise schuldig bekannt. Es seien "Malversationen passiert", jedoch bei weitem nicht in dieser Höhe. Bei Hunderten Patienten soll der Mediziner über deren E-Cards Behandlungen vorgegeben haben, die - zumindest laut Überprüfungen der Behörden - niemals stattgefunden haben dürften.
Dazu wurden am heutigen Montag dutzende ehemalige Patienten befragt. Da die Praxis bereits seit Ende 2011 geschlossen ist und die Behandlungen teils Jahre zurückliegen, konnten die wenigsten Zeugen konkrete Angaben zu Gesprächen mit dem 68-Jährigen machen. Ein Großteil suchte den Mediziner zum Zweck einer Drogen-Substitutionstherapie auf, im Rahmen derer sie ein bis mehrere Male pro Monat Rezepte abholten.
Für den Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Harald Craigher waren die Aussagen mehrheitlich keine sonderlich große Hilfe. Klare Erinnerungen hatte lediglich ein Ex-Patient, der von exakt drei Behandlungsgesprächen mit seinem Hausarzt sprach - laut WGKK hatte der 68-Jährige aber 103 Gespräche abgerechnet. Auch eine heute 21-Jährige Patientin, die die Dienste des Arztes 2011 ein paar Monate lang in Anspruch genommen hatte, zeigte sich sehr überrascht, dass sie angeblich 36 Mal mit diesem gesprochen haben soll.
Der Arzt war vor knapp eineinhalb Jahren den Behörden aufgefallen. Es wurde bekannt, dass er die Drogen-Szene mit Substitutionsmedikamenten versorgt haben dürfte, indem er Rezepte für psychotrope Stoffe an Nichtberechtigte weitergab. Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen kamen dann auch die Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung mit der WGKK zutage.
Unterdessen läuft seit einigen Wochen auch bei der Wiener MA40 (Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht) ein Verfahren gegen den Angeklagten. Der Arzt wurde aus der Liste der aktuell zur Drogenersatztherapie Berechtigten gestrichen. Seiner Aussage zufolge ist mittlerweile ein Berufsverbot gegen ihn ausgesprochen.
Ärzten in seiner Umgebung war nach dem Einschreiten der Behörden zunächst aufgefallen, dass plötzlich zahlreiche Drogenpatienten auftauchten, die neue betreuende Ärzte für die Substitutionstherapie benötigten. Zum Teil waren ihnen zuvor offenbar auffällig hohe Dosierungen an Beruhigungsmitteln zusätzlich zu den Opiaten verschrieben worden.
Für die - voraussichtlich - letzte Verhandlung am 2. Dezember wurde sowohl die Einsicht in den Tarifkatalog der WGKK als auch die Hinzuziehung eines EDV-Experten zur Prüfung der Datenübermittlung beantragt.