Beim Prozess gegen den Jihadisten könnte ein Exempel statuiert werden.
Der Prozess gegen einen mutmaßlichen Jihadisten ist am Landesgericht Krems am Donnerstag nach fast 13 Stunden Verhandlung vertagt worden. Neuer Termin ist der 11. Februar. Zuvor hatte noch ein niederösterreichischer Kriminalist zu den gefundenen kinderpornografischen Daten ausgesagt.
VIDEO: Austro-Jihadist kommt vor Gericht
Magomed Z. (31), Jurist, geboren im tschetschenischen Ort Benoy, wohnte zuletzt in Heidenreichstein (NÖ) und ist der erste mutmaßliche Jihadist, dem in Österreich der Prozess gemacht wird. Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung drohen ihm am Landesgericht Krems bis zu zehn Jahre Haft.
Im Schatten der Terrorangst herrscht Alarmstufe Rot. Polizeipräsenz rundum, temporäre Halteverbote beim Landesgericht, verschärfte Eingangskontrollen in das Gebäude, Platzkarten für den Saal.
Angeklagter von Cobra bewacht
Die Platzkartenvergabe für den großen Saal des Landesgerichts schien doch nicht notwendig: Zwar waren sehr viele Medienvertreter erschienen, aber kaum andere Zuhörer. Als der Beschuldigte, bewacht von vier mit Schutzwesten und Gesichtsmasken ausgerüsteten Beamten, in den Saal geführt wurde, verbarg er sein Gesicht vor den Kameras hinter einer Mappe. Kurz nach 9.00 Uhr betraten die Schöffen mit der Richterin und der Dolmetscherin den Saal - die Verhandlung konnte beginnen.
Angeklagter: "Jihad bringt nur Krieg und Leid"
"Laut der muslimischen Religion soll man seinem Nächsten nur Gutes tun", erklärte der Angeklagte via Dolmetscherin auf die Frage nach seinen Anschauungen. "Wie stehen Sie zur Scharia?", wollte die Richterin wissen. Er bete fünf Mal am Tag und halte den Fastenmonat Ramadan ein, sagte der 30-Jährige und betonte zugleich, in Österreich die hier geltenden Gesetze zu achten.
"Jihad ist nicht Islam", sagte der Mann. Und: "Der Jihad bringt nur Krieg und Leid", und was Krieg bedeute, wisse er aus seiner Heimat. Die Organisation, bei der er in Syrien war, sei gegen das Kalifat gewesen, erklärte er. Was der IS mache, sei Terrorismus, so werde ein Islamischer Staat nicht aufgebaut.
Hinsichtlich der Zeit- und auch Ortsangaben verstrickte sich der 30-Jährige mehrmals in Widersprüche, die Richterin hielt ihm u.a. anderslautende Angaben nach seiner Festnahme vor. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, und er habe Angst gehabt, abgeschoben zu werden, meinte er.
"Nicht schuldig"
Sein Mandant werde sich nicht schuldig bekennen, hatte Anwalt Wolfgang Blaschitz kurz vor Prozessbeginn bekräftigt. Er habe bereits Beweisanträge gestellt, so der Verteidiger, und werde auf einen sachlichen und emotionslosen Verhandlungsverlauf bedacht sein.
© TZ ÖSTERREICH / Artner
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Verteidiger: Kampfausbildung wegen Sehschwäche undenkbar
"Wir haben hier unbeeindruckt von der politischen Großwetterlage oder Zurufen Akten-Kenntnisloser ohne Hysterie und ohne Dämonisierung Sachfragen zu klären", so Blaschitz in seinem Eröffnungsplädoyer.
Als "zentralen Ausgangspunkt" bezeichnete Blaschitz die körperliche Beeinträchtigung seines Mandanten durch dessen signifikante Sehschwäche: Laut einem Sachverständigen sei der Mann ohne Brille funktionell blind, mit Brille liege eine funktionelle Einäugigkeit vor. Dem Gutachten zufolge sei daher ein Schuss- und Nahkampftraining ohne Brille unmöglich und mit Brille nur sehr eingeschränkt - das Gleiche gelte für den Bau von Sprengsätzen.
Fakt sei, dass sich sein Mandant im Juli 2013 ins syrische Grenzgebiet zur Türkei begeben hatte, um in der Flüchtlingshilfe tätig zu sein. Zu diesem Zeitpunkt sei das Kalifat noch nicht ausgerufen worden, es habe noch keinen IS und daher auch keine entsprechende Kampfausbildung gegeben. Die Untergruppe, der er sich angeschlossen haben soll, sei erst 2014 auf die Terrorliste gesetzt worden. Im zweiten Halbjahr 2013 sei in den Grenzgebieten die FSA (Freie Syrische Armee) gewesen, vom Westen gelobt und finanziell unterstützt, deren Verhaltenskodex zufolge die Mitglieder die Menschenrechte zu achten hatten. Als der IS dann in der Gegend eingefallen sei, habe sich der Tschetschene nach Österreich schleppen lassen und seitdem keinerlei Handlungen gesetzt, die die Annahme rechtfertigen würden, er sei ein IS-Kämpfer.
So lautet die Anklage:
- Als „Mohmad“ für ISIS. Der 31-Jährige fuhr laut Anklage im Juli 2013 von Tschetschenien nach Syrien und schloss sich dort der ISIS-Untergruppe „Jaish al Mujahireen wal-Ansar“ an. Als „Mohmad“ lernte er, mit Bomben und Sprengstoffen umzugehen, und unternahm „bewaffnete Ausgänge“. Er war im Besitz des „Kalifat-“Passes und speicherte am Handy Fotos von Enthauptungen.
- Eindeutige SMS: Ermittler fanden auch Nachrichten wie: „Diejenigen, die gute Taten gemacht haben, sind diejenigen, die schon gestorben sind“, oder: „Versuch, ein Mujahed zu sein, dann bist du ein Löwe von Allah und nicht ein Kafir Hund.“
- Für OP nach Österreich: Weil er unter einer „funktionellen Blindheit“ auf einem Auge leidet, kehrte er Syrien Ende 2013 den Rücken. Unter dem Vorwand, sich einer Augenoperation in Österreich zu unterziehen, stellte er hier einen Asylantrag. Er lebte in Heidenreichstein (NÖ), wollte nach der OP nach Syrien zurück. Von Österreich aus überwies er ISIS noch 800 Euro. Zur OP und zur Ausreise kam es nicht: Im Sommer 2014 klickten die Handschellen.
- Verteidigung: Magomed Z. plädiert auf unschuldig, Anwalt Wolfgang Blaschitz: „Er sagt, er wollte in Syrien karitativ tätig sein und Flüchtlingen helfen.“ Für Magomed Z. gilt die Unschuldsvermutung.
- Bedeutung: Der Prozess findet unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt und wird von der Öffentlichkeit genau beobachtet. Grund: Weist das Gericht Z. die Mitgliedschaft an der ISIS-Miliz nach und verhängt die Höchststrafe, wirkt das für alle heimischen ISIS-Sympathisanten abschreckend.