Balkan-Route

Brutale Schlepper-Bande schmuggelte 2.000 Migranten

09.12.2024

Einige Täter sind bereits verurteilt, etliche noch in Untersuchungshaft oder werden gesucht. 

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© TEAM FOTOKERSCHI / WERNER KERSCHBAUMMAYR
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Passau/Linz. In einjährigen Ermittlungen in Deutschland und Österreich ist eine große, international und brutal agierende Bande zerschlagen worden, die rund 2.000 Menschen von Frühjahr bis November 2023 illegal über die Balkan-Route nach Mitteleuropa geschleppt haben soll. Damit erzielte sie geschätzt vier Millionen Euro an Einnahmen. 30 Personen wurden festgenommen. Einige Täter sind bereits verurteilt, etliche noch in Untersuchungshaft oder werden gesucht.

"Durch derartige Erfolge zeigen wir, dass wir der organisierten Schlepperkriminalität entgegenwirken können", sagte der Leiter des Büros gegen Schlepperei und Menschenhandel im Bundeskriminalamt (BK), Gerald Tatzgern, bei einer Pressekonferenz am Montag in Passau, die gemeinsam mit dem Leiter der Bundespolizeiinspektion Flughafen München IV von der Bundespolizeidirektion München, Thomas Eberl, und dem Bezirkspolizeikommandanten Urfahr-Umgebung der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Erwin Pilgerstorfer, abgehalten wurde. Sie lobten die enge Zusammenarbeit mit Polizeibehörden in Serbien, Ungarn, Schweden, Dänemark und den Niederlanden.

17 Personen in Pkw geschlichtet

In der Nacht auf 17. Oktober 2023 seien ein Schlepperfahrzeug auf österreichischer und eines auf deutscher Seite gestoppt worden. In dem im Bayrischen Wald angehaltenen Wagen mit schwedischem Kennzeichen waren vier türkische Staatsbürger - darunter ein Baby - und zwei Syrer als Schlepper, im Fahrzeug im Mühlviertel 17 Personen mit einem Fahrer aus dem Irak. "Ein Mittelklassewagen, 17 Personen waren darin geschlichtet wie eine Ware, zwölf Kinder und fünf Erwachsene", so Pilgerstorfer. Das war der Beginn der Zusammenarbeit und akribischen Ermittlungen der Beamten.

Mindestens 30 Tatverdächtige, überwiegend aus Syrien, darunter 17 Fahrer, unter anderem Asylwerbende aus Dänemark und Schweden, sieben "Hawala-Banker", die illegale Geldflüsse ermöglichten, zwei Wohnungsvermittler, ein Fuhrparkverwalter und weitere Koordinatoren und Führungspersonen wurden gefasst. Der Haupttäter wurde im Landgericht Passau im November zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt. Weitere Mitglieder der Bande wurden bereits in Deutschland und Österreich zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, etliche sitzen in U-Haft. Die Beamten hoben die Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Bande hervor, die sowohl die geschleppten Personen als auch eigene Mitglieder und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr brachten.

Daten aus Mobiltelefonen hilfreich

"Social Media hat eine enorme Bedeutung bei der Kontaktaufnahme zwischen Schleusern und Geschleusten", erklärte Eberl. "Von entscheidender Bedeutung war die Sicherstellung von drei Mobiltelefonen, eines gehörte dem Kopf der Organisation." Durch die Auswertung von Chatverläufen bekam man unwiderlegbare Beweise gegen die beiden Syrer. Bei der ersten Haftprüfung im Jänner 2024 konnten ihnen sechs Fahrten nachgewiesen werden, später 19 mit rund 100 geschleppten Personen. In 20 sichergestellten Mobiltelefonen seien Tausende Nachrichten und Chats als Beweise ausgewertet worden, erklärte Eberl. "Es handelt sich um ein Unternehmen mit Logo, die Gruppe wurde auf Social Media beworben."

"Daten aus Mobiltelefonen sind essenziell", betonte auch Tatzgern. Dadurch wurden die so genannten Hawala-Banker, die für die illegalen Geldtransfers verantwortlich sind, identifiziert, die Polizei habe "weitere im Visier". Durch die Festnahmen es sei gelungen "den Geldtransfer transparenter zu machen", so Pilgerstorfer. "Sie spielen eine große Rolle, es geht um Hunderte Millionen Euro", sagte Tatzgern. Für eine Fahrt aus Afghanistan würden rund 15.000 Euro verlangt. Eine dingfest gemachte Person habe einmal sogar 20 Millionen Euro Bargeld in Müllsäcken transportiert, schilderte er zur Veranschaulichung Details aus einem anderen Fall.

Brutales Vorgehen

Pilgerstorfer sprach von einer guten Struktur in der Bande, die überwiegend aus Asylwerbenden bestehe, die ihre Papiere nützten um zu rekrutieren sowie professionellem und arbeitsteiligem Vorgehen. "Die Schlepperfahrzeuge würden bei uns als Wrack beurteilt", ohne Zulassung oder desolat mit hinaufgehängten Kennzeichen. "Die Fahrer bekommen Crystal Meth und synthetische Drogen", damit sie ein sehr hohes persönliches Risiko eingehen wie in einem Video von einer Verfolgungsjagd gezeigt wurde. Brutal werde gegen eigene Bandenmitglieder vorgegangen, die versuchten mit der Justiz und Polizei zu kooperieren.

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