Der Vater des 13-Jährigen belastete den Angeklagten schwer.
Am Wiener Straflandesgericht ist am Donnerstag der zweite Prozess um einen Mordanschlag im Juni 2015 in Wien über die Bühne gegangen, der einem 13-Jährigen beinahe das Leben gekostet hätte. Der Bursche geriet in die Schusslinie, als auf einen Mann das Feuer eröffnet wurde. Das Urteil wurde im ersten Rechtsgang ausgesetzt. Schwer belastet wurde der 38-jährige Angeklagte nun vom Vater des Buben.
Prozess wiederholt
Dem Beschuldigten Slobodan C. wird versuchter Mord in zwei Fällen vorgeworfen. Nachdem das Verfahren im November wegen Irrtums der Geschworenen - sie sprachen den 38-Jährigen frei - ohne Urteil zu Ende gegangen war, wurde am Donnerstag das Verfahren mit einem zur Gänze neu zusammengesetzten Schwurgericht (Vorsitzende: Martina Krainz) wiederholt. Der 52-jährige Vater des Buben, der bei der Schießerei dabei war, belastete in der neuerlichen Verhandlung den mittlerweile 38-jährigen Beschuldigten schwer.
Bei der Verhandlung im November sagte der 52-Jährige nicht nur als Zeuge aus, er setzte sich im Anschluss in die Zuschauerreihen und beobachtete den Angeklagten genau. "Er wurde ja mehrmals aus dem Gerichtssaal rein- und rausgeführt", sagte der Vater. Da sei ihm aufgefallen, dass "Statur, Größe und Bewegungsablauf zum Täter passt". Neben dem 52-Jährigen belasteten das eigentliche Ziel des Schussattentats, der Serbe Aleksandar A., und ein weiterer unbeteiligter Zeuge den Angeklagten ebenfalls.
Unterwelt-Fehde
Hintergrund der Schießerei am 5. Juli 2015 in der Brigittenau dürfte eine Unterwelt-Fehde gewesen sein. Der Serbe Aleksandar A., der in Wien lebte, soll mit einem Landsmann wegen Geldschulden in Streit geraten sein. Weil die Forderungen nicht einbringlich waren, soll schließlich der Angeklagte nach Wien geschickt worden sein, um auf A. zu schießen, wie die Anklagebehörde darlegte.
Laut Staatsanwaltschaft mietete sich der 38-jährige Slobodan C. in Belgrad ein Auto, fuhr über Ungarn nach Wien und legte sich in der Marchfeldstraße auf die Lauer. Als A. an dem sehr heißen Sonntagvormittag beim nahen Bäcker Frühstück holen war, fiel ihm der Mann, der trotz Hitze lange Hosen, eine Jacke und eine dunkle Schirmkappe trug, auf. Er hatte ein ungutes Gefühl, ließ das zuvor gekaufte Brot fallen und flüchtete Richtung Pasettistraße. Beim Davonlaufen pfiffen ihm schon die Kugeln aus einer Pistole des Typs Browning um die Ohren.
Schuss in den Bauch
Laut schreiend und Zickzack-laufend bog Aleksandar A. in die Pasettistraße, als ihm der 13-Jährige und dessen Vater auf Fahrrädern entgegenkamen. Sie wollten einen Badeausflug zur Donauinsel unternehmen. Zwei Schüsse verfehlten den Flüchtenden, einer traf A. im Becken bzw. im Gesäß und ein Schuss drang in den Bauch des Burschen auf dem Rad ein. Der 13-Jährige sackte in der Sekunde mit einer lebensgefährlichen Verletzung zusammen. "Daniel hat um sein Leben ringend nicht gewusst, was los ist", sagte sein Vater vor Gericht aus.
Auf den Bildern aus den Überwachungskameras am Tatort ist zwar nicht das Gesicht des Täters zu sehen, jedoch seine Kleidung und die auffälligen Turnschuhe in Schwarz-Weiß. Als der 37-Jährige nach der Tat mit dem Leihauto wieder über die Grenze Richtung Serbien fuhr, wurde er von Grenzbeamten aufgehalten und kontrolliert. Diese Überprüfung wurde ebenfalls von Überwachungskameras gefilmt. Auf den Aufnahmen ist Slobodan C. mit den ausgefallenen Sportschuhen zu erkennen.
Kindheit "mit einem Schlag vorbei"
Der Angeklagte wollte mit dem Mordanschlag nichts zu tun haben. Vielmehr beschuldigte er einen Bekannten der Tat. Dieser Freund habe sein gemietetes Auto dafür verwendet, um von A. 3.000 Euro zu kassieren. Als dieser Bekannte - er wurde später als 35-jähriger Serbe identifiziert - mit dem Fahrzeug zurückkam, habe er davon gesprochen, dass es "Probleme" bei der Geldübergabe gegeben habe. Auf dem Beifahrersitz sei plötzlich eine Waffe gelegen, die der 38-Jährige hätte verschwinden lassen sollen. Das habe er auch gemacht. Befragt werden konnte der der Tat beschuldigte Bekannte allerdings nicht mehr. Er wurde am 29. September in Belgrad ermordet.
Sämtliche Zeugen mussten am Donnerstag erneut vor Gericht aussagen. Bis zu dem Schussattentat habe der mittlerweile bald 15-Jährige Bursche "eine glückliche Kindheit" gehabt, meinte sein Vater. "Die war mit einem Schlag vorbei." Dass im November der Angeklagte von den Geschworenen freigesprochen worden ist, sei für seinen Sohn ein Schlag gewesen. "Er hat gefragt: 'Woran soll ich da glauben?'", so der 52-Jährige. Die Verhandlung wurde nach einer kurzen Mittagspause am Nachmittag fortgesetzt. Noch am Donnerstag soll ein Urteil gefällt werden.