Gutachter spricht

Bundesheer-Granaten schuld an Crash

03.02.2009

Enthüllung in ÖSTERREICH: Erstmals spricht ein Gutachter über den Massencrash auf der A22 und belastet damit das Bundesheer schwer.

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© Andreas Vogl
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Dass die Massenkarambolage auf der Donauuferautobahn in Korneuburg nur ein tragischer Zufall gewesen ist, glaubt derzeit niemand mehr: Immer dichter werden stattdessen die Indizien einer gewichtigen Mitschuld des österreichischen Bundesheeres. In ÖSTERREICH spricht jetzt erstmals der Meteorologe Ernest Rudel, der im Auftrag des Landespolizeikommandos Niederösterreich ein Wetter-Gutachten zum Unfallzeitpunkt erstellte, und belastet das Bundesheer damit schwer.

Sechsjährige zur Halbwaise
Die Vorgeschichte: Am 22. Jänner kam es gegen 19 Uhr auf der A22 zu einem Massencrash von insgesamt sieben Autos. Besonders tragisch: Noch in ihrem Fahrzeug verstarb die 32-jährige Tschechin Iryna L. und machte damit ihre sechsjährige Tochter Michaela zur Halbwaisen. Ihr Witwer hat nun einen Anwalt eingeschaltet und will die Republik auf Schadensersatz verklagen.

Nebel wehte auf Autobahn
Von Anfang an war klar: Die Heeresübung mit rauchenden Nebelgranaten direkt neben der Autobahn muss für die Karambolage zumindest mitverantwortlich gewesen sein. Anstatt mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 300 Metern wurde eine Granate nur 90 Meter von der Autobahn gezündet. Zum anderen bestätigen nun die Fotos aus Überwachungskameras und der Gutachter Rudel: „Um die Unfallzeit drehte sich der Wind auf West und hat bewirkt, dass der Nebel von der Heeresübung Richtung Autobahn transportiert wurde.“ Zudem wehte nur schwacher Wind, der den dichten, künstlichen Nebel nicht auflösen konnte.

Mediziner vor Ort
Auch ein zweiter Vorwurf wiegt schwer: Ein Vorgesetzter soll seinen Rekruten verboten haben, vor Ort Erste Hilfe zu leisten. Und: Zumindest ein ausgebildete Mediziner sollen am Unfallort den Verletzten nicht geholfen haben. Anton Gaal, Vorsitzender der Bundesheer-Beschwerdekommission, gegenüber ÖSTERREICH: „Dabei wären alle vor Ort grundsätzlich zur Erste-Hilfe-Leistungen verpflichtet gewesen.“ Auch er kündigt weitere Untersuchungen und Gespräche an.

Anklage erst in Wochen
Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft Korneuburg wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung gegen unbekannt. Erst nach Eingang der abschließenden kriminaltechnischen und meteorologischen Gutachten sowie der Obduktions- und Befragungsergebnisse kann Anklage erhoben werden. Dies allerdings kann noch Wochen dauern.

Lesen Sie hier das Interview mit dem Meteorologen Ernest Rudel:

ÖSTERREICH: Was sind die wesentlichen Aussagen Ihres Gutachtens?
Ernest Rudel: An diesem Tag waren sehr geringe Luftdruckgegensätze – daher war insgesamt der ganze Tag sehr windschwach. Es gab den ganzen Tag über eine gute Sicht von rund zehn Kilometern. Es gab also keine Sichtbehinderung durch Nebel oder Dunst.

Wie waren die Windverhältnisse?
Gegen 16.10 Uhr kam leichter Wind aus der Westrichtung. Danach hat der Wind von Spitzen bis zu zehn Kilometer pro Stunde gewechselt – von Nord auf Richtungen um Nordost ­gedreht. Also von der Autobahn weg. Das dürfte der Grund gewesen sein, dass die Übung mit den Nebelgranaten gemacht wurde.

Was war letztlich die Unglücksursache?
Das Pech war, dass etwa zur Unfallzeit – zwischen 18.40 bis 19 Uhr – der Wind wieder nach West gedreht hat. Der Nebel wurde so zur Autobahn gedreht. Nach dem Unfall hat der Wind abermals nach Nordost gedreht. Insgesamt war der Wind sehr schwach. Wäre der Wind stärker gewesen, wäre der Nebel rasch zerstreut worden. So ist der Nebel für 20 Minuten zur Straße transportiert worden, danach wieder ­zurück.

D.h. es ist plausibel, dass die Granate den Nebel auslöste?
Ja, es gab davor keinen Nebel. Es war ein künstlich hervorgerufener Nebel.

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