Kinder-Kriminalität
Cliquen als Grund allen Übels?
11.07.2008
Die steigende Kinder-Kriminalität erregt Besorgnis. Oft werden die Verbrechen in so genannten "Peer groups" vollzogen.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres musste die Polizei laut der heute, Freitag, präsentierten Kriminalitätsstatistik fast 3.400 Mal wegen strafbarer Handlungen Zehn- bis 14-Jähriger einschreiten. Auffallend dabei: Viele der Delikte werden nicht allein, sondern in der Gruppe begangen.
"Peer-Groups sind Fluch und Segen zugleich", sagte Kinder- und Jugendpsychologin Elfriede Wegricht im APA-Gespräch. Weitere Gründe sind der vermehrte Rückzug der Eltern aus der Erziehung sowie die verfrühte Einsetzung der Pubertät, konstatierte Entwicklungspsychologin Brigitte Rollett.
"Kinder mit Situation oft überfordert"
"Kinder
schauen immer früher aus wie junge Erwachsene und kommen dadurch in
Situationen, in denen sie überfordert sind", erläuterte Rollett. Diese
körperliche Reife gehe aber meist nicht mit der geistigen Entwicklung
einher. Zehn- bis 14-Jährigen fehle daher oft oft die Fähigkeit zur
Selbstregulation, sie können also Versuchungen - wie auch kriminellen
Handlungen - schlechter widerstehen als Erwachsene.
Ein weiterer Faktor ist das Elternhaus. Eine "verstehende Beziehung" der Familienmitglieder sei das Wichtigste, so Wegricht. Kinder müssen das Gefühl haben, dass sie immer nach Hause kommen können und mit ihren Müttern oder Vätern reden können. Um eine solche Vertrauensbasis zu schaffen und zu bewahren, sollten Eltern ihre Sprösslinge "immer wieder aufs richtige Gleis stellen", die vorgelebten Werte also in Erinnerung rufen. Wenn Tochter oder Sohn etwas angestellt haben, sollte das konkrete Verhalten besprochen, nicht aber die Person selbst infrage gestellt werden. Kinder sollten lernen, "dass sie dafür einstehen, was sie machen" - auch wenn es in der Gruppe geschieht.
"Fluch und Segen zugleich"
Peer-Groups, was so viel
bedeutet wie "Clique" oder "Freundeskreis", sind laut der Expertin "Fluch
und Segen zugleich". Einerseits können Kinder und Jugendliche sich mit
Gleichgesinnten austauschen und Probleme besprechen, was für eine gesunde
Entwicklung sehr wichtig sei. Andererseits sei den Gruppenmitgliedern oft
nicht klar, dass jeder einzelne für seine Missetaten einstehen muss.
"Die Peers dürfen aber nicht zu wichtig werden", warnte Rollett. Dies könne nämlich ein Zeichen dafür sein, dass Mütter und Väter zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen. In den letzten Jahrzehnten ziehen sich Eltern vermehrt aus ihrer Erziehungsverantwortung zurück, was dazu führe, dass Kinder und Jugendliche leichter auf die schiefe Bahn geraten. Rollett rät deswegen dazu, sich mehr mit Heranwachsenden zu beschäftigten - sie aber nicht zu sehr zu behüten. Idealerweise fungieren Eltern für junge Erwachsene als Berater - nicht mehr als Erzieher. Denn: "Jugendliche wollen keine ungewollten Ratschläge", weiß die Psychotherapeutin.
Temperament meist angeboren
Kriminelle Kinder seien auch manchmal
solche mit "hoher Ärgerneigung", führte Rollett aus. Das Temperament sei
aber angeboren - impulsive Buben und Mädchen haben also oft Eltern, die sich
ebenfalls schnell ärgern und mit dem derselben Eigenschaft ihrer Kinder
schlecht fertig werden.