Horror mit dem Peiniger

Das Protokoll von Anitas Schwester

09.12.2010

Die vermisste Anita K. wurde getötet und verbrannt.

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© Lassnig
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Für Silvia K. wurde der Albtraum zum Alltag: Ihre Schwester wurde ermordet, sie saß unschuldig in Haft, ihr Peiniger hat sich in der U-Haft in Krems erhängt. Aus vertraulicher Quelle erhielt ÖSTERREICH das Protokoll der 27-jährigen, die seit Dienstag wieder auf freiem Fuß ist.

Demnach war sie selbst mit zwölf Jahren, ihre Schwester mit acht in die Fänge von Erwin K. gekommen. Der Tiroler Ingenieur hatte sich in einer Gehörlosen-Einrichtung um den tauben Vater der aus Ungarn stammenden Mädchen gekümmert.

Als der Papa von Szilvia und Anita starb – die Mutter war unfähig und unwillig, sich um die Kinder zu kümmern – drängte sich der väterliche Freund auf.

Obwohl Erwin K. bereits ­wegen Kindesmissbrauchs in Haft war, duldeten die Behörden, dass er allein mit den Mädchen zusammenlebte. Und: Niemand rührte einen Finger, als Nachbarn in der Van-der-Nüll-Gasse in Wien 2003 das Jugendamt wegen psychischer Gewalt gegen den Teenager Anita (damals 16) einschalteten.

Vorbestraft als Sex-Täter – aber Behörde schauten zu
Erwin K. hatte seinen Lebensmittelpunkt längst ins Waldviertel, NÖ, verlagert. Im neuen Haus in Eggern verging er sich an den Ziehtöchtern, bis beide glaubten und verinnerlicht hatten, eine Liebesbeziehung zu ihm zu haben.

Dann lernte Anita den Berufsfahrer Manuel Schuster kennen. Anfang Oktober zog sie zu ihm. Am 28. 10. sollte es eine letzte Aussprache geben. Zweimal davor soll Erwin K., der seine Gespielinnen mit einem brutalen Regime kontrollierte, Anita spitalsreif geprügelt haben.

Um 10 Uhr verließ Anita Manuel mit den Worten „Wenn ich keine SMS mit dem Wort ‚O. K.‘ schick, ruf die Polizei.“ Die Handynachricht unterblieb, „Manni“ schlug Alarm.

Anita: Der neue Freund war vermutlich ihr Todesurteil
Szilvia kam gegen Mittag vom Einkaufen, und war selbst äußerst nervös, dass etwas passiert sein könnte – sie hatte den Ziehvater und die Schwester am Handy angerufen. Die Telefone läuteten im Haus, doch niemand öffnete.

In diesem Moment kam die von Manuel Schuster alarmierte Polizei – die aber nicht versuchte, ins Haus zu gehen, sondern Erwin K. schließlich am Handy erwischte. Der versicherte, dass es der Anita gut ginge. Die Streife zog ab, informierte aber die Kripo – die sich sofort diskret hinter den heiklen Fall kniete.

Inzwischen war ein völlig verschwitzter Erwin K. zu Szilvia auf die Straße gekommen: „Ich brauch schnell Geld.“ Mit zwei Autos fuhren sie nach Eisgarn, die Tochter hob Geld ab – der Ziehvater fuhr weg. Zwei Tage lang war der Ingenieur unerreichbar (ÖSTERREICH-Infos zufolge dürfte er die Leiche auf einer Müllhalde bei Bratislava verbrannt haben).

Im Gefängnis gab sie zu: „Ich habe gelogen“
Obwohl die 27-Jährige mittlerweile sicher war, dass ihrer Schwester was Schreckliches passiert war, hielt Szilvia still. Ihr Peiniger wurde schmuseweich versprach ihr, sie zu heiraten, und lenkte alle schlechten Gedanken ab.

Gegenüber ihrer Großmutter sagt Szilvia sogar, dass sie Anita gesehen habe und dass sie wohlauf sei. Deshalb wurde nicht nur Erwin K., sondern auch Szilvia – die Polizei hatte das Gespräch mitgehört – wegen Entführung- und Mordverdacht verhaftet.

Als sie in der Haft Zeit zum Nachdenken hatte, gab Szilvia schließlich zu, gelogen und Anita nie wieder gesehen zu haben. Gleichzeitig meldete die Polizei in der Slowakei, dass Erwin K. mit einem Benzinkanister im Auto zufällig kontrolliert worden war. Die Schlinge um den Täter zog sich immer enger – bis er sich in der Zelle aufhängte. Ohne Reue, ohne Geständnis im Abschiedsbrief entzog er sich der Verantwortung.

Zurück bleibt ein Missbrauchsopfer, das überlebt, aber alles verloren hat.

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