Alfred S. (63) hat im Februar seinen Sohn Klaus (25) getötet.
Vor Verhandlungsbeginn am Freitag um 9.30 Uhr war allen acht Geschworenen im Saal 100 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt die Neugier von den Augen abzulesen: Wie sieht ein Mann aus, der sein eigenes Kind erschießt?
Freispruch oder lebenslang?
Zwei Minuten später in Handschellen
vor ihnen: Alfred S, optisch älter als 63, schmächtig, als habe er in Alaun
gebadet, sonst unauffällig wie ein Schluck Wasser. Staatsanwalt Erich
Habitzl lastet dem Elektrotechniker in Frühpension (zwei Herzinfarkte)
eiskalten Mord an seinem Sohn Klaus (25) wegen Streit um Geld an. „Es war
Notwehr“, hält Verteidiger Thomas Kralik dagegen.
Freispruch oder lebenslange Haft also? Entsprechend groß ist die Spannung, als Richter Daniel Popelka den Angeklagten zur Familientragödie befragt.
Erbschaft
Initialzündung war der Tod der wohlhabenden Gemahlin
und Mutter Irene im Jahr 2007. Zwar war die Erbschaft klar geregelt: Sohn
Klaus bekam das Haus in Perchtoldsdorf, sein Vater Alfred aber das
lebenslange Wohnrecht dort. Überdies behielt der Witwer rund 100.000 Euro
Cash aus dem Nachlass. Dafür durfte der Junior in eine Wohnung seines Papas
in Wien-Favoriten ziehen.
Unglück
Soweit alles klar. „Aber leider“, erzählt Alfred S.
vor Gericht, „hat sich mein Sohn nicht gut entwickelt.“ Schuld daran:
„dieses Weib“. Gemeint ist Klaus’ Verlobte Simone, die bald auch schwanger
wurde. Aus der Sicht des Angeklagten ein Unglück.
Denn Sohn Klaus hatte da schon das Studium (Jus) geschmissen und 30.000 Euro vom Konto des Vaters abgehoben. Überdies soll er auch in Papas Safe eingebrochen haben, wo eine Glock-Pistole lag.
Letzte Aussprache
Als ihn der Senior zur Rede stellte, drohte
Klaus angeblich mit einem Schlägerkommando. Als er auch die Wohnungsmiete
schuldig blieb, wollte ihn der Vater trotzdem auf die Straße setzen. Dann
aber wurde noch eine Aussprache vereinbart – am 2. Februar 2010 um 18 Uhr im
Haus in Perchtoldsdorf. Elf Minuten später wählte der 63-Jährige den Notruf
der Polizei.
Vor Gericht sagt er: „Im Wohnzimmer hat mein Sohn plötzlich eine Glock-Pistole auf mich gerichtet. Ich konnte im Schock nicht erkennen, dass es eine Attrappe war und habe mit meinem Revolver in Notwehr zweimal auf ihn geschossen.“
Offene Fragen. Spannende Fragen am zweiten Verhandlungstag (30. Juli): Warum sollte der weit stärkere Sohn seinen Vater mit einer Spielzeugwaffe bedrohen? Wieso hatte der Angeklagte daheim einen (legalen) Revolver im Hosenbund? Wurde dem Opfer die Attrappe untergeschoben? Und wieso kniete Klaus, als er tödlich getroffen wurde?
Nebenbei: Alfred S. hat vor Gericht nichts bedauert.