Gastkommentar
Der Papst und seine Reisen
28.08.2007
"BILD"-Korrespondent Andreas Englisch kennt den Vatikan wie seine eigene Westentasche. Seit 1995 begleitet er die Papstreisen.
BILD-Korrespondent Andreas Englisch kennt den Vatikan wie seine eigene Westentasche. Seit 1995 begleitet er den jeweiligen Papst auf Auslandsreisen.
Vatikanstadt
Die Vorbereitungen für die siebte Auslandsreise von
Papst Benedikt XVI. laufen auf Hochtouren. Kein anderer Staat besitzt ein so
erfahrenes Team für Auslandsreisen eines Staatsoberhauptes wie der
Kirchenstaat. Nachdem Papst Johannes Paul II. 1978 ein winziges
Spezialisten-Team für Auslandsreisen aufbauen ließ und bis zu seinem Tod 104
Reisen absolvierte sowie mehr als 1,3 Millionen Kilometer zurücklegte,
existiert im Vatikan ein Team, das schon alles erlebt hat.
Der Autor Andreas Englisch ist Vatikansprecher und Korrespondent der "Bild"-Zeitung. Seit 1995 begleitet er die Papstreisen. |
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Letztes Papst-Attentat 2002
Vor jeder Auslandsreise trifft sich
zunächst die wichtigste Gruppe, die für die Sicherheit des Papstes
verantwortlich ist. Der päpstliche Leibwächter Domenico Giani, Chef der
vatikanischen Gendarmerie, informiert seine Untergebenen und die
Schweizergardisten über Attentatsdrohungen. Vor jeder Papstreise gehen
Drohungen über das Internet oder per Post ein. In nahezu allen Fällen
handelt es sich um verwirrte Menschen, die auf sich aufmerksam machen
wollen. Manche Drohungen sind jedoch ernst zu nehmen. Das letzte gefährliche
Attentat auf einer Auslandsreise fand in Baku in Aserbaidschan am 23. Mai
2002 statt. Ein Mann, der auf Krücken ging und schwer gehbehindert schien,
versuchte sich auf Papst Johannes Paul II. zu werfen und konnte nur knapp
einen Meter vor dem Kirchenoberhaupt gestoppt werden. Papst Benedikt
verzichtet wie sein Vorgänger auf bewaffnete Leibwächter. Domenico Giani
kann nur unbewaffnete Nahkampf-Experten einsetzen.
Drei Sicherheitsringe um den Papst
Grundsätzlich gibt es drei
Sicherheitsringe um den Papst. Im ersten Ring, direkt um den Papst, schützen
Giani und der Kommandant der Schweizergarden Elmar Mäder das Leben des
Papstes. Sie sind dafür ausgebildet, sich im Fall eines Attentats in die
Kugel des Angreifers zu stürzen. Weil Päpste Menschen niemals abwehren,
können sie nicht verhindern, dass der Papst sich Menschen nähert, die vorher
nicht kontrolliert worden sind. Johannes Paul II. wurde das am 13. Mai 1982
zum Verhängnis, als ein Priester in Fatima versuchte ihn mit einem Bajonett
niederzustechen. Der Papst konnte in letzte Sekunde gerettet werden. Den
zweiten Sicherheitsring bilden ebenfalls unbewaffnete Gendarmen und
Schweizergardisten. Deren Aufgabe es vor allem ist über Mikrofon den inneren
Ring auf auffällige Personen aufmerksam zu machen. Erst dann darf die
Polizei des Gastlandes den dritten Sicherheitsring um den Papst ziehen.
Dabei kommen bewaffnete Beamte zum Einsatz.
Das größte Problem
Jede Papstreise wird von einem
großen Problem überschattet, der Frage: Wen trifft der Papst nicht. Vor
jeder Reise gehen im Vatikan eine Unzahl von Gesuchen ein - von Menschen,
die der Meinung sind, der Papst müsse sie empfangen. Häufig sind es
Politiker, aber auch Priester, Privatpersonen, die meinen dem Papst von
einem Wunder berichten zu müssen. Oft haben auch Sicherheits-Polizisten,
einem Freund oder Nachbarn versprochen, ein kurzes Treffen mit dem Papst
arrangieren zu können. All diese Menschen wenden sich nachdrücklich an den
Vatikan und bitten um einen Termin während der Reise. Es ist für den
päpstlichen Sekretär Georg Gänswein schwer abzuwägen, wem man absagen muss
und wem nicht. Absagen muss der Vatikan auf jeden Fall, sonst müsste der
Papst Hunderten Menschen eine Audienz gewähren. Den Rekord hält das kleine
Liechtenstein. Dort musste Johannes Paul II. rund 420 Menschen nacheinander
eine kurze Audienz gewähren, weil nicht rechtzeitig abgesagt wurde.
Einladungspolitik
Wen der Papst treffen muss, ist einfach zu
entscheiden: Zu jeder Papstreise müssen zwei Einladungen vorliegen: des
Staatsoberhauptes und des religiösen Oberhauptes des Landes. In Österreich
ist das kein Problem, da sowohl der Bundespräsident als auch der Kardinal
von Wien den Papst eingeladen haben. In Russland dagegen scheiterten alle
Versuche Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. das Land zu
bereisen, weil zwar längst die Einladung von Wladimir Putin vorliegt, aber
nicht die des religiösen Oberhauptes Alexji II., orthodoxer Patriarch
Russlands. Der Papst trifft in der Regel auch einige Wissenschaftler und
Künstler. Gänswein sucht aus, wer auf die kurze Liste kommt.
Zwischenfall
Richtig schief gegangen ist seit Langem nichts
mehr, das letzte Mal aber am 22. Mai 2002 in Baku. Die Delegation des
Vatikans, sowie auch die wenigen Journalisten, die den Papst begleiten
dürfen, rasten auf der frei gesperrten Autobahn in die Innenstadt. Die
Organisatoren hatten nicht beachtet, dass die Klimaanlage auf dem neuen Bus
nicht unter die niedrigen Brücken passte. Folglich knallte der Bus dagegen,
das Dach wurde abgerissen. Es hagelte Metall und Glassplitter, alle im Bus
dachten es sei ein Attentat.
Der Autor Andreas Englisch ist Vatikansprecher und Korrespondent der "Bild"-Zeitung. Er kennt den Vatikan wie seine eigene Westentasche. Seit 1995 begleitet er den jeweiligen Papst auf Auslandsreisen.