Der Superhirn über seine Abzocke
02.03.2010
Er gibt zu, dem Staat Milliarden vorenthalten zu haben und ist trotzdem auf
freiem Fuß: ÖSTERREICH traf Steuer-Pirat Werner Ryld zum Interview.
Werner
Rydl macht Schlagzeilen: Zuerst sorgte er Mittwoch vergangener Woche für
Aufsehen, weil er nach Jahren brasilianischer Schubhaft in Wien wegen
Betrugs vor Gericht stand. Der nächste Aufreger folgte zwei Tage später, als
der 52-Jährige trotz Verurteilung zu sechs Jahren Haft aus
dem Gefängnis spazierte (weil ihm 5 Jahre Auslieferungshaft in
Brasilien angerechnet wurden).
Das erste Interview in Freiheit gab Rydl ÖSTERREICH. Beim Spaziergang und
Kaffeehausbesuch in der Kurstadt Baden – wo er momentan bei seiner
fürsorglichen Schwester Doris untergekommen ist – versuchte der kleine Mann
mit dem großen Sendungsbewusstsein seine Version des jahrzehntelangen
erbitterten Kampfs mit den heimischen Finanzbehören zu vermitteln und lässt
gleich eine Bombe platzen. Er habe insgesamt unglaubliche fünf Milliarden
Euro Steuergeld einbehalten, nachdem er im Dezember 1989 ein „Steuerembargo“
ausgerufen hatte.
Damals begann, wie berichtet, die endlose Geschichte „Rydl versus
Österreich“. Auslöser: Ein Steuerberater hatte ihm den Tipp gegeben, in
seine Erklärung an den Fiskus Fehler einzubauen und somit um rund 100.000
Schilling mehr zu zahlen, denn „man muss die was finden lassen, um sie zu
befriedigen“. Angesichts dieser, wie er es bezeichnet „Unart, die sich
eingebürgert hat“, schritt Rydl zum Totalprotest.
Sichtlich erregt schilderte der Mann, der es als „Superhirn“, „Robin Hood
der Steuerzahler“ oder „Staatsfeind Nr. 1“ zu fragwürdiger Berühmtheit
gebracht hat, dann im Interview, wie er in Österreich ein Warenkarussell in
Schwung setzte, an dessen Ende er selbst stand und die Umsatzsteuer
einbehielt. Wie er 167 Millionen Schilling am Strand von Recife verbrannte,
„weil sie ihm Stress bereiteten“, und wie er sich seine Zukunft vorstellt –
nämlich gar nicht. Denn der inzwischen Staatenlose wurde nach eigenen
Angaben in der Haft in Brasilien „erleuchtet“ und will sich nicht mehr mit
profanen Dingen beschäftigen: „Das würde nur meine Energie verschwenden.“
Das vorenthaltene Geld will er der Finanz aber trotzdem nicht zurückgeben.
Werner Rydl im Gespräch über Milliarden, Menschen und eine
mögliche Zukunft als Finanzbeamter sowie Schachpartien mit Helmut
Elsner. ÖSTERREICH: Was haben Sie als
erstes gefühlt, als Sie nach knapp fünf Jahren Haft den ersten Schritt
in die Freiheit machten? Werner Rydl: Ich dachte,
muss ich mir jetzt ein Taxi rufen? Dann bin ich aber doch abgeholt
worden. ÖSTERREICH: Das Gefängnis hat sie also
nicht zermürbt? Rydl: Ich hatte die Möglichkeit,
Ruhe zu finden, die Haft hat mich gestärkt. Gleichmut bekommt man
erst, wenn man die Kämpfe mit den eigenen Emotionen beendet. Liebe,
Hass, Geld ist alles nicht von Bedeutung. Sogar meine Verwandten,
die durch die Sache ebenso in Haft saßen, wurden dadurch in ihrer
Persönlichkeit gestärkt. Nur Idioten bereuen, was sie getan haben. ÖSTERREICH:
Warum haben sie Ihr Steuerembargo so rigoros durchgesetzt? Rydl:
Um Veränderung zu provozieren und Handlungsbedarf aufzuzeigen. Das
Vorsteuersystem wurde erfunden, um eine zweite Kasse für den Staat zu
errichten, die man für stille Subventionen verwenden kann. Ich habe
keinen Embargo-Euro für mich genommen, das Geld nur nicht abgeführt. ÖSTERREICH:
Von welchen Summen reden wir und wie war das mit dem Verbrennen von
Millionen? Rydl: Die 167 Millionen Schilling habe ich
verbrannt, weil ich sie nicht mehr einwechseln konnte und sie mir
nur Stress bereiteten. Ab 1995 habe ich Geld nicht mehr gezählt,
sondern nur noch gewogen. Ich habe in 20 Jahren knappe fünf
Milliarden Euro einbehalten. Jährlich verliert Österreich durch
Steuertricks 2,5 Milliarden. ÖSTERREICH: Daher
haben Sie auch Finanzminister Pröll ihre Hilfe angeboten? Rydl:
Das war nicht zynisch gemeint, aber mir fehlt die wichtigste
Voraussetzung als Finanzbediensteter: korrupt zu sein. ÖSTERREICH:
Wie geht es jetzt mit Ihnen weiter? Rydl: Der
Staatsanwalt hat mir gesagt, er wird eine weitere Anklage erheben. Ich
werde dem Zustimmen und das alles hier hinter mich bringen. Ich
plane nicht voraus, das würde nur meine Energie verschwenden. ÖSTERREICH:
Wie empfinden Sie im Rückblick Ihren Kampf mit der Finanz? Rydl:
Todernst, aber emotionslos. Es war wie ein edles Pokerturnier. ÖSTERREICH:
Gespielt haben Sie ja auch in Haft, ihr Schachgegner war Helmut
Elsner. Wer hat gewonnen? Rydl: Ich habe immer für
Ausgleich gesorgt. Diese Banker leben allerdings auf Wolke Sieben.
Elsner ist auf jeden Fall pumperlgsund. ÖSTERREICH: Welchen
Rat würden Sie österreichischen Steuerzahlern geben? Rydl:
Sie sollten zum Kern der Sache vordringen. Wir erwarten
Rechtsstaatlichkeit. Der Kern ist aber, dass der Staat sich selber und
nicht die Bürger schützt. Mein Geld zahle ich nicht an die Finanz
zurück, ich lasse es höchstens wieder in die österreichische
Wirtschaft einfließen. ÖSTERREICH: Ihr Motto? Rydl:
Die Menschen lieben es, wenn man ihnen sagt, was sie tun sollen.
Aber noch mehr lieben sie es, nicht das zu tun, was man ihnen sagt.
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