Immer mehr Fälle sexuellen Missbrauchs in Österreich werden bekannt.
Nach dem Bekanntwerden einiger Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen in Deutschland melden sich auch in Österreich immer mehr Betroffene bei Ombudsstellen. Im folgenden eine Chronologie der öffentlich gewordenen Vorfälle:
11.2.2010: Gegen einen niederösterreichischen Pfarrer wird wegen des Besitzes und der Weitergabe von elektronisch aufbereiteten kinderpornografischen Darstellungen ermittelt. Der Geistliche wurde von seinen Ämtern abgezogen.
18.2.: Die Polizei ermittelt gegen einen Ordenspriester in der Erzdiözese Salzburg wegen Verdachts des Missbrauchs eines siebenjährigen Kindes.
18.2.: Kardinal Christoph Schönborn bezeichnet die Missbrauchsfälle in seiner Predigt bei der Aschermittwochslithurgie als "Schande".
24.2.: In der Steiermark wird ein Fall von mutmaßlich mehrfachem sexuellen Missbrauch durch einen Pfarrer öffentlich. Der Diözese Graz-Seckau ist der Vorwurf aus den 1970er-Jahren bekannt. Der Fall, der einen bereits verstorbenen Pfarrer und Religionslehrer aus dem Stift Admont betrifft, wurde über ein heute 46 Jahre altes Missbrauchsopfer aufgerollt. Der Abt des obersteirischen Stiftes Admont, Bruno Hubl, entschuldigte sich für den bekanntgewordenen Missbrauch von Kindern durch den bereits verstorbenen Mitbruder.
28.2.: Helmut Schüller, Mitbegründer der Ombudsstelle für Missbrauchsopfer der Erzdiözese Wien, plädiert für österreichweit einheitliche Regelungen im Umgang mit Missbrauchsfällen.
5.3.: Die Bischöfe erarbeiteten bei der Frühjahrsvollversammlung bundesweite Regeln für Umgang mit Missbrauch.
8.3.: Der Salzburger Erzabt von St. Peter, Bruno B., trat wegen sexuellen Missbrauchs vor 40 Jahren an einen damals Minderjährigen zurück. Das Opfer beschuldigte zwei weitere Ordensbrüder - diese hatten das Stift Mitte der 70er-Jahre verlassen.
9.3.: Im Internat des Privatgymnasiums des Bregenzer Zisterzienser-Klosters Mehrerau wurde in den 1980er-Jahren offenbar ein Schüler sexuell missbraucht. Der Pater hatte den Missbrauch gestanden und wurde anschließend nach Tirol versetzt. Eine Anzeige gab es nicht.
9.3.: Der Fall des Kindesmissbrauchs durch den Erzabt des Stiftes von St. Peter war der Salzburger Justiz bekannt. Am 14. September 2009 habe ein Mann aus Wien, der mit dem Opfer offenbar in Kontakt stand, Anzeige beim Landeskriminalamt Niederösterreich erstattet. Der Fall wurde dann der Staatsanwaltschaft Salzburg übermittelt, die das Verfahren am 18. Jänner 2010 einstellte, da das Opfer nicht aussagen wollte.
9.3.: Aus der Steiermark wurde bekannt, dass ein Pfarrer in den späten 1970er und 80er Jahren bis zu zwanzig Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts sexuell missbraucht oder belästigt hatte. Der Priester, er war dann im Burgenland tätig, bestätigte die mittlerweile verjährten Vorfälle. Bei der Diözese Graz-Seckau wurde man offenbar erst durch die Medienberichte auf den Fall aufmerksam. Der Priester legte tags darauf sein Amt nieder.
9.3.: Im Bregenzer Kloster Mehrerau werden mehrere Missbrauchsfälle bekannt.
Der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari zeigte sich "tief betroffen" über Missbrauchsfälle in der Steiermark in den späten 70er- und 80er-Jahren. Er rief alle Opfer auf, sich zu melden.
Der Eisenstädter Bischof Paul Iby räumte ein, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden, wofür er sich entschuldigen wolle. Zugleich kündigte er rasches und konsequentes Handeln an.
10.3.: Kardinal Christoph Schönborn will nach den Ursachen für sexuellen Missbrauch in der Kirche fragen. Hierzu gehöre neben der Frage der Priestererziehung auch jene nach dem Zölibat.
Stimmen für Änderungen im Strafgesetz werden laut. Die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) und die FPÖ forderten eine Verlängerung der Verjährungsfristen für diesen Tatbestand.
11.3.: Vorwürfe gegen drei Patres im Stift Kremsmünster wegen Missbrauchs. Sie wurden ihrer Ämter enthoben.
Die Ombuds- und Kirchenbeitragsstellen verzeichnen einen Ansturm. Auch eine politische Debatte entbrannt. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim fordert unter anderem eine Verlängerung der Verjährungsfristen, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (S) konnte sich sogar einen Wegfall vorstellen. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) erklärte, sie sei bereit, eine Anzeigenpflicht bei Sexualdelikten zu diskutieren.
Im Internat des Privatgymnasiums des Bregenzer Zisterzienser-Klosters Mehrerau dürfte es noch weit mehr als die bereits bekanntgewordenen Missbrauchsfälle gegeben haben.