Können Tiere Empfindungen und Gefühle haben? Kennen sie Glück und Trauer, Freude und Schmerz? Diesen Fragen geht Peter Wohlleben in seinem aktuellen Bestseller Das Seelenleben der Tiere nach.
Der Förster schöpft aus einem Schatz persönlicher Beobachtungen, ohne in das Reich der Tierfabeln oder Walt Disney-Filme abzudriften. Vielmehr untermauert er seine Anekdoten mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen: „Je öfter und je genauer ich hinsah, desto mehr vermeintlich ausschließlich menschliche Emotionen entdeckte ich bei unseren Haustieren und ihren wilden Verwandten im Wald.“
Mutterliebe, Glück und Sex-Tricks
Dass Tiere zu Liebe, Mitgefühl und sozialer Verantwortung fähig sind, daran besteht für Wohlleben kein Zweifel. Eichhörnchen kümmern sich nur um den eigenen Nachwuchs, bei Bedarf adoptieren sie auch fremde Junge. Rehe wiederum sind so umsichtig, dass sie ihre Kinder in den ersten Lebenswochen allein im Gebüsch lassen, weil die Kleinen so besser geschützt sind. Die Rehgeiß kommt nur zum Säugen kurz vorbei.
Dass Tiere Angst und Schmerz kennen, wird wohl keinen Tierbesitzer überraschen. Was aber neu ist: Sie fühlen, Beispiel Mäuse, auch den Schmerz ihrer Artgenossen und empfinden Mitleid. Tiere können sich aber auch mit ihresgleichen freuen. Oft besser als wir Menschen.
Und besonders kreativ werden sie, wenn es ums Liebesspiel geht. Hasen tanzen auf den Feldern um ihre Angebeteten, Kaninchen raufen sich um die hübschesten Weibchen. Und Wildkatzen legen auch einmal selbst Pfote an. Eine besondere Anekdote erzählt Wohlleben von seinem eigenen Hof: Sein Hahn „Fridolin“ lockt die Hennen „Lotto“ und „Polly“ bisweilen mit einem vermeintlichen Korn (das er nicht hat) in die Sexfalle.
Interview mit Förster Peter Wohlleben, Autor von "Das Seelenleben der Tiere":
ÖSTERREICH: Sie sind nicht nur Experte für den Wald, sondern auch Kenner der Tierseele …
PETER WOHLLEBEN: Ich habe mich schon als Kind für Natur und Tiere interessiert und versuchte mich sogar einmal als Glucke. Ich wollte wissen, ob ich ein Küken so prägen kann, dass es eine tiefe Bindung zu mir hat.
ÖSTERREICH: Und die Erkenntnis aus diesem Experiment?
Wohlleben: Das Küken wich nicht mehr von meiner Seite. Tiere können echte Zuneigung und Dankbarkeit gegenüber Menschen entwickeln, das wissen alle Tierhalter. Aber sie können auch auf Abstand bleiben, wie Wölfe, die zwar unter sich sozial sind, aber niemals unsere Haustiere werden.
ÖSTERREICH: Haben Tiere das gesamte Gefühlsspektrum?
Wohlleben: Alle neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Tiere uns, was die Gefühle betrifft, viel näher sind, als wir immer dachten. Tiere sind keine seelenlosen Bio-Roboter, sie haben Instinkte und damit die gesamte Gefühlspalette. Sie können glücklich sein, Freude haben oder trauern.
ÖSTERREICH: Die Beziehung Mensch und Tier ist zurzeit ein komplexes Thema.
Wohlleben: Ich will nicht moralisieren. Wir können Tiere auch nutzen, sollten uns aber beim Konsum einschränken und respektvoller mit Tieren umgehen. Anders gesagt: Wenn man so gar nicht weiß, was mit Tieren los ist, dann entgeht einem auch viel Spaß beim Beobachten.