Flüchtlingstragödie
Drama auf der A4: Das Protokoll des Grauens
17.06.2017
Todes-Schlepper hörten
den Opfern beim Sterben zu.
59 Männer, acht Frauen und vier Kinder starben auf der luftdicht verschlossenen Ladefläche eines ausrangierten Kühl-Lkw. Und das unter unfassbaren Umständen, dass einem beim Lesen der Telefonprotokolle (die jetzt aufgetaucht sind) die Tränen kommen.
Liveübersetzung wegen Sprachgewirr unmöglich?
Das Schlimmste daran: Die Menschenschmuggler wussten genau, dass ihre „Fracht“ keine Luft bekam und es war ihnen offenbar auch völlig egal, dass die Flüchtlinge ums Leben kommen könnten und es auch qualvoll taten: „Sie sind Abschaum“, meint einer der Komplizen, während sie den Opfern beim Sterben zuhörten.
Ebenfalls schwer zu verstehen ist, dass niemand den Opfern zu Hilfe eilen konnte, obwohl die ungarische Polizei die Handys der Bande, die schon in ihr Visier geraten war, abhörte. Angeblich war aufgrund des Sprachgewirrs aus Serbisch, Bulgarisch und Afghanisch eine Live-Übersetzung nicht möglich …
Angeklagt sind insgesamt elf Männer, ein Komplize ist noch auf der Flucht. Gegen ihn wird in Abwesenheit verhandelt. Die Staatsanwaltschaft beantragte lebenslange Haftstrafen. Die Anklage lautet auf Beteiligung an organisierter Schlepperei sowie mehrfachen Mord unter besonders grausamen Umständen.
Das Protokoll des Grauens
Fahrer Ivajlo S.: „Sie haben an der Tankstelle sehr stark geklopft.“
Metodi G.: „Ivo soll den Lkw weiterfahren. Er soll so tun, als ob er sie nicht hört. Ihr werdet nicht auf einer Tankstelle, sondern auf einem Rastplatz halten.“
TODOROV N.: „Ich weiß nicht, wo wir anhalten können, um Diesel einzufüllen. Was können wir machen? Sie sind Abschaum!“
METODI G.: „Kannst du bitte den Leuten sagen, dass sie für fünf Minuten aufhören sollen, zu klopfen und zu reden. Er möchte volltanken und schauen, wie er den Leuten Wasser geben kann. Er sagt, er hat Angst, die Türen zu öffnen, weil die Leute dann sofort auf das Feld rennen.“
SAMSOOR L.: „Nein, nein, nein, nein! Das geht nicht, dass er die Tür aufmacht! Dann werden alle rauskommen! Sag ihm, er soll nur weiterfahren. Und falls sie sterben, soll er sie dann in Deutschland im Wald abladen.“
TODOROV B.: „Wenn wir auf einem Parkplatz anhalten, werden sie das Ding kaputt schlagen. Und drin kreischen Frauen, schreien, heulen.“
Samsoor l.: „Sag ihm, ich ficke alle! Er soll ihnen sagen, dass er sie lieber sterben lassen würde. Das will ich.“
IVAJLO S.: Wenn sie weiter so klopfen, wird man es an der Grenze hören. Dort gibt es Polizei.
METODI G.: „Ich denke, dass sie keine Luft bekommen, ich bin mir 100 Prozent sicher, es ist weniger das Wasser und der Durst das Problem. (…) Du sollst weiterfahren, das ist das Wichtigste. Er muss es nur bis Österreich schaffen.“
IVAJLO S.: „Sie schreien einfach die ganze Zeit, du kannst dir gar nicht vorstellen, was hier los ist, wie sie schreien.“
Mittlerweile ist es sechs Uhr in der Früh. Der Volvo hat die Grenze zu Österreich passiert. Alle sind tot. Der Lkw mit den Leichen wird stehen gelassen. Am nächsten Tag telefonieren zwei Komplizen noch einmal miteinander:
SAMSOOR L.: Weißt du, was passiert ist? Dieser Volvo. Man hat gehört, dass die Hälfte der Leute gestorben sind.“ Er lacht.
METODI G.: Gestorben?
SAMSOOR L.: Die Hälfte der Leute, ja.
METODI G.: (schnalzt mit der Zunge) „Ts,ts,ts.“