Top-Umweltanwalt Wolfgang List über das Schweigen der Behörden zur Donau-Chemie in Brückl
Chemiefabriken polarisieren zwischen Innovation und Risiken wie Emissionen oder Unfällen. Tonnenweise produziert ein Chemie-Unternehmen nur 24 Kilometer von Klagenfurt entfernt Chlorgas – eine extrem gefährliche Chemikalie. Jetzt machen sich immer mehr Anrainer in Brückl (Bezirk St. Veit) große Sorgen. Im Interview kritisiert der Top-Anwalt im Umweltrecht Dr. Wolfgang List das Schweigen der Landesbehörden.
Dr. Wolfgang List, Top-Anwalt in Sachen Umweltrecht.
FRAGE: Gab es nach den Medienberichten über die brisante Situation im Werk der Donau-Chemie rund um die Chlorgas-Produktion Reaktionen? Vom Unternehmen selbst kam nur ein knappes Statement: „Jetzt werden die Sorgen der Bevölkerung nicht kleiner!“
WOLFGANG LIST: Ich verstehe das nicht. Es bestehen konkrete gesetzliche Verpflichtungen für Chemie-Betriebe, wie die Anrainer zu informieren sind. Da geht‘s um den Schutz der Bevölkerung, um den Gefahrenschutz und um die Vorsorge. Das Unternehmen in Brückl sagt dazu nichts! Und da stellt sich für mich die Frage: Warum sagen die nichts? Wenn ich dort für die Sicherheit zuständig wäre, würde ich sofort sagen: Hier haben wir alle Genehmigungen! Das sind die geltenden Abstandsregelungen zu den Anrainern! Wir haben folgende Pläne für Unfallmaßnahmen und wir informieren permanent die Bevölkerung!
FRAGE: Die Donau-Chemie meinte in einem schriftlichen Statement nur, dass man sich an alle geltenden Rechtsvorschriften halten würde.
LIST: Die Donau-Chemie meinte in einem schriftlichen Statement nur, dass man sich an alle geltenden Rechtsvorschriften halten würde.
Das ist doch ohnehin normal, dass man sich an Rechtsvorschriften hält. Diese Stellungnahme ist in ihrer Kürze einfach unverständlich.
FRAGE: Fehlende Informationen vergrößern das Gefühl der Unsicherheit. Es würde sogar Auflagen für Menschen geben, die in einem sehr geringen Abstand zum Chemie-Betrieb in Brückl leben, mit Schutzanzügen für den Notfall auszustatten. Warum passiert da nichts?
LIST: Eine gute Frage – ich kann sie nicht beantworten. Würde ich dieses Unternehmen beraten, dann wäre klar: Hier muss es Transparenz geben, der Bevölkerung müssten doch alle Ängste genommen werden. Man müsste viel mehr Notfall-Szenarien mit den Bürgern proben – wie soll das sonst im Ernstfall funktionieren? Dazu würde ich alle Medien einladen, allen demonstrativ zeigen, wie unsere Sicherheitsmaßnahmen sind.“
FRAGE: Wie sicher sind jetzt Österreichs Chemie-Betriebe? Was sagt uns der Fall in Brückl?
LIST: Das kann natürlich nicht pauschal beurteilt werden. Aber zur Donau-Chemie in Brückl: Das muss man ernst nehmen. Wenn ein Unternehmen mit derart schweren Vorwürfen konfrontiert ist – warum geht man da nicht in die Öffentlichkeit? Es ist lächerlich, einfach zu sagen: „Wir halten uns an alle Rechtsvorschriften!“
FRAGE: Wie haben Sie als Umweltanwalt nun auf diese Aussagen der Donau-Chemie reagiert?
LIST: Wir haben in diesem Fall eine Anfrage an den Landeshauptmann sowie an die Bezirkshauptmannschaft St. Veit und an die Gemeinde gerichtet: Wir wollen jetzt alle Informationen bekommen. In Kürze läuft die Frist für die Beantwortung ab – in 14 Tagen müsste alles am Tisch liegen.
FRAGE: Aber müsste nicht die Politik von sich aus auf die Medienberichte zur Donau-Chemie in Brückl reagieren?LIST: Eine interessante Frage: Klare Antwort: Ja! Normalerweise müsste es auf den allerersten Medienbericht sofort eine Reaktion der Landesregierung geben. Dieser Fall wäre doch eine Chance für den Landeshauptmann, für die Umwelt-Landesrätin, sich für ihre Landsleute einzusetzen. Zumindest könnte ja ein Statement kommen: „Wir nehmen die Vorwürfe ernst, wir sehen uns den Betrieb in Brückl jetzt einmal unverzüglich an“.Es gibt bis jetzt aber keine Reaktion – Null. Aktuell habe ich wieder mit besorgten Anrainern telefoniert – es hat sich nichts geändert, vom Chemie-Unternehmen hat sich niemand bei ihnen gemeldet. Auch das ist irritierend: Es müsste doch genau dort eine besondere Sensibilität gezeigt werden – es hat ja 2014 ganz in der Nähe auch diesen erschütternden HCB-Skandal (krebserregendesFungizid) gegeben."