Nach 636 Tagen zurück in Österreich: Jetzt "verkriecht" er sich mit Ehefrau.
Mehr als 21 Monate lang, war Eugen Adelsmayr (52) ein Gefangener Dubais. Er saß zwar nicht im Gefängnis, war aber mit einer absurden Mordanklage konfrontiert. Der Job als Arzt, Einkommen, Reisepass – alles weg. Auch die Hoffnung, die Familie in Bad Ischl je wiederzusehen.
Als im August 2011 bei seiner Frau noch eine tödliche Krankheit diagnostiziert wurde, begann für den Arzt ein Wettlauf mit der Zeit.
Dienstag um 12 Uhr konnte der hagere Kämpfertyp zumindest einen Etappensieg erringen. Die Diplomatie verhalf ihm zur zeitweiligen Ausreise aus humanitären Gründen. ÖSTERREICH-Reporter Christian Bruna begleitete Adelsmayr auf der wohl emotionalsten Reise seines Lebens: dem Flug heim. Das Protokoll:
AUA-Pilot bittet Adelsmayr in die Business Class
- Dubai, International Airport – noch um Mitternacht hat es draußen 32 Grad, dazu diese Luftfeuchtigkeit. Ich treffe Eugen Adelsmayr relaxt direkt am Abflug-Gate 136. Neben ihm sitzt jene Frau, die maßgeblich für seine Freilassung verantwortlich war: Elisabeth Ellison-Kramer, Leiterin der Rechtsabteilung im Außenministerium. „Sie hat nicht aufgegeben, sonst würde ich hier nicht sitzen“, sagt Adelsmayr. Er wirkt cool, zweifelt aber immer noch, ob alles glattgeht. Zu oft war er am „System Dubai“ gescheitert.
- 0.45 Uhr: Das Boarding für AUA-Flug OS 840 Vienna beginnt. Adelsmayr zeigt seine Bordkarte, Economy-Class, Reihe 20, Platz H.
- Der Bus bringt uns zum Flugzeug, eine Boeing 767, wir steigen ein, verstauen das Gepäck.
- Die Überraschung in der Kabine: Eine Stewardess kommt nach hinten und bittet Adelsmayr und Ellison-Kramer in die Business-Class. „Der Kapitän würde sich freuen, wenn Sie seine Gäste sein könnten.“ Adelsmayr blickt sich skeptisch um: Ist das eine Falle? Nein, nur eine nette Geste von Kapitän Martin Fuchs.
- Wir starten pünktlich um 1.50 Uhr. Die Passagiere versuchen zu schlafen, nur einer bleibt den ganzen Flug wach: Eugen Adelsmayr. „Ich konnte nicht schlafen, zu viel ist mir durch den Kopf gegangen. Langsam realisierte ich, welches Glück ich habe, hier zu sitzen“, sagt er.
„Ich bin lieber ein Ehrenmann als ein Feigling.“
- Es ist ein ruhiger Flug. Fast wie zum Geschenk verzichtet der Himmel auf jegliche Turbulenzen. Wir fliegen über den Irak, Syrien, die Osttürkei und kommen dann langsam über Bukarest und Budapest nach Österreich. Adelsmayr lächelt dankbar, als er seine Heimat im Anflug sieht.
- 5.36 Uhr: Die Maschine landet in Wien-Schwechat. Adelsmayr wird von einer Schar Journalisten empfangen, alle bestürmen ihn mit Fragen. Er bleibt ruhig, höflich. Doch man merkt ihm seine Ungeduld an, er ist in Gedanken bereits in Bad Ischl bei seiner schwer kranken Frau Antonia. Wünscht sich nichts mehr, als „mich mit meiner Familie jetzt zu verkriechen“.
Zwei Stunden später fliegt er weiter nach Salzburg, schließt seinen Sohn Gabriel in die Arme. Die beiden haben Mühe zueinander zu finden, erkennen sich nicht auf den ersten Blick. Zwei Jahre sind oft eine lange Zeit.
Jetzt zählt erst einmal der Augenblick – denn am 16. Oktober geht sein Prozess in Dubai weiter. Adelsmayr
fährt sicher hin. „Ich bin lieber ein Ehrenmann als ein Feigling“, sagt er.
Eugen Adelsmayr im ÖSTERREICH-Interview:
Adelsmayr mit ÖSTERREICH-Reporterin Barbara Haas, © TZ ÖSTERREICH/Bruna
ÖSTERREICH: Endlich wieder zu Hause, zuletzt hatten Sie zu Weihnachten 2009 Heimatboden unter den Füßen. Wie fühlt sich das an?
Eugen Adelsmayr: Gut, ich bin erleichtert, bin auch erschöpft, aber freue mich natürlich sehr, dass ich hier bin und endlich meine Familie wiedersehen kann.
ÖSTERREICH: Sie stehen in Dubai mitten in einem Mordprozess, Ihnen droht die Todesstrafe. Warum glauben Sie, ist es nun trotzdem gelungen, Ihnen eine humanitäre Ausreise zu gewähren?
Adelsmayr: Es ist überwältigend, dass das gelungen ist, aber ich bin nicht in Jubelstimmung, denn das Ganze ist noch nicht vorbei. Dass meine Ausreise überhaupt gelungen ist, war auch ein Zusammenspiel mit den Medien, denn die enorme Aufmerksamkeit ist der Regierung in Dubai nicht entgangen und dann haben sich die Diplomaten und Politiker sehr darum bemüht.
ÖSTERREICH: Sie haben die humanitäre Ausreise bekommen, weil Ihre Frau schwer krank in Oberösterreich im Spital liegt. Wie geht es ihr?
Adelsmayr: Leider nicht gut, sie musste wieder ins Spital eingeliefert werden, es gibt weitere Bestrahlungen, aber jetzt kann ich endlich an ihrer Seite sein und für sie da sein – kann meinen Platz einnehmen.
ÖSTERREICH: Werden Sie auch in medizinischer Sicht helfen oder sie beraten?
Adelsmayr: Nein, denn es ist erstens nicht mein Fachgebiet und sie ist in guten Händen. Außerdem verliert man die Nähe und damit auch die Emotionalität, wenn man sich medizinisch einmischt. Und genau das will ich nicht, ich bin hier als ihr Ehemann.
ÖSTERREICH: Sie haben erst seit wenigen Stunden wieder Ihren Reisepass, sind dem Land, in dem Ihnen die Todesstrafe droht, entkommen, wollen aber am 16. Oktober wieder zum Prozess hinfahren. Warum?
Adelsmayr: Diese Anklage ist teilweise so absurd, und ich weiß, dass ich diesen Prozess gewinnen kann und schon allein daher will ich mich nicht drücken. Aufgeben liegt mir nicht.
ÖSTERREICH: Sie haben nun mehr als 14 Tage Zeit, Ihre Familie zu betreuen, worauf freuen Sie sich schon am meisten?
Adelsmayr: Ich freue mich vor allem, dass ich bei ihnen bin, darauf sie zu spüren, zu halten. Zeit zu verbringen mit meiner Frau, meinen beiden Söhnen, meinem Hund. Und ich werde versuchen, alles andere von mir zu schieben.
ÖSTERREICH: Trotzdem wird Sie der Prozess einholen, wie lange denken Sie, wird er noch Ihr Leben bestimmen?
Adelsmayr: Es könnte in acht bis zehn Monaten vorbei sein. Vielleicht.