Geschworene verwarfen Mordversuch und plädierten auf schwere Körperverletzung.
Der Schwurprozess gegen einen 61-Jährigen, der im April seine Ehefrau niedergestochen hat, ist ohne Urteil zu Ende gegangen. Die Verhandlung muss wiederholt werden. Die drei Berufsrichter setzten Montagnachmittag das Urteil aus, nachdem die Laienrichter den Angeklagten vom versuchten Mord freigesprochen hatten.
Die Geschworenen verwarfen den angeklagten Mordversuch und plädierten mit 8:0 Stimmen auf absichtliche schwere Körperverletzung. Der Senat unter Vorsitz von Richterin Eva Brandstetter kippte allerdings diese Entscheidung wegen Irrtums der Geschworenen. Nun muss die Verhandlung nach einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (OGH) von einem anderen, zur Gänze neu zusammengesetzten Gericht wiederholt werden.
Streit um zehn Euro
Der Hilfsarbeiter hatte im Streit um zehn Euro im April zum Messer gegriffen und seine 33 Jahre jüngere Ehefrau niedergestochen. Das Opfer und ihr vierjähriges Kind konnten sich im letzten Moment über das Fenster der Erdgeschoßwohnung retten.
Der gebürtige Türke war 1990 mitsamt seiner Familie nach Österreich gekommen, um sich hier ein besseres Leben aufzubauen. Der Mann, der nie eine Schule besucht hatte, sich aber selbst Lesen und Schreiben beigebracht hatte, arbeitete auf dem Bau, um seine Frau und seine sieben Kinder zu versorgen. 2012 starb seine Frau, mit der er fast 40 Jahre verheiratet war. Da die Kinder bereits aus dem Haus waren und er nicht allein bleiben wollte, reiste der Witwer nur einen Monat nach dem Tod seiner Ehefrau in seine Heimat, um eine neue Partnerin zu suchen.
"Vernunftehe"
Alsbald ehelichte er die weit aus jüngere Frau, die sich alleine um ihre Tochter kümmern musste, und nahm sie mit nach Wien. Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich um eine "Vernunftehe". In den ersten Monaten verstand sich das Paar gut, der 61-Jährige kümmerte sich auch liebevoll um seine Stieftochter. Doch als er aufgrund seines Alters den Job verlor, kam es immer wieder zu Streitereien wegen Geld und auch aufgrund von Eifersucht. Der Beschuldigte verdächtigte seine Frau, dass sie ein Verhältnis mit einem "etwa 40 bis 45 Jahre alten Bosnier aus der Nachbarschaft" hätte.
Laut Aussage der Frau soll ihr Mann immer wieder handgreiflich geworden sein. Er schlief auch mit einem Messer unter dem Kopfpolster, erzählte die Frau, die sich als Privatbeteiligte dem Prozess anschloss. Am 8. April bedrohte er seine Frau erstmals mit einem Küchenmesser, führte die Staatsanwältin aus. Zwei Tage später eskalierte die Situation, als die Frau den 61-Jährigen verdächtigte, ihr zehn Euro aus der Tasche gestohlen zu haben. Er lief ihr laut Staatsanwältin mit dem Messer nach und rief: "Komm her, da ist das Geld!" Acht Mal hatte der Mann der jungen Frau in die Brust gestochen, stellte die Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich fest. Dabei wurden Leber, Lunge und der Herzbeutel lebensgefährlich verletzt.
Flucht über Fenster
Trotz ihrer schweren Verletzungen schnappte die Frau ihre vierjährige Tochter und flüchtete über das Fenster. Passanten, die auf die Schreie aufmerksam geworden sind, kamen den Flüchtenden zu Hilfe. Der 61-Jährige fügte sich daraufhin in selbstmörderischer Absicht selbst drei Stichverletzungen in den Bauch zu. Er wurde blutüberströmt von der Polizei entdeckt. "Ich hab gesagt, ich will nicht mehr leben", sagte er Richterin Brandstetter. An den Angriff auf seine Frau konnte sich der Angeklagte, der von Rudolf Mayer verteidigt wurde, nicht mehr erinnern. "Ich hab mich in dem Moment selbst verloren. Ich wollte das nicht. Ich hab das Messer genommen und mehr weiß ich nicht mehr."