"Ein Glück, dass ich noch lebe"
27.05.2010
Dieser Autounfall bewegt das Land: Direkt vor ihrer Schule wurde Gabriele M.
(47) von einem SUV niedergefahren. Ihre Schüler mussten zusehen.
Vor exakt zehn Tagen wurde der achtjährige Florian auf dem Schulweg von
einem Auto getötet. Nun schockt wieder ein Verkehrsunfall das Land. Und:
Wieder passierte er auf einem Zebrastreifen, wieder auf dem Schulweg.
Die Chronologie der Tragödie: Wie jeden Mittwochmorgen ist Gabriele M. um
halb neun in der Früh auf dem Weg in die Volksschule Grinzinger Straße im
19. Wiener Bezirk. Hier unterrichtet die 47-Jährige als Klassenvorstand die
4A.
Rettungs-Hubschrauber landete im Schulgarten
Um 8.40 Uhr steigt
die hübsche Lehrerin aus dem Bus aus und will den Zebrastreifen queren. Vier
ihrer Schüler sind bei ihr, ein Schülerlotse beobachtet den Verkehr. Doch
dann passiert die Katastrophe: Immobilienberater Bernhard P. (52) rast mit
seinem schwarzen BMW X5 einfach über den Schutzweg. Und: Er erfasst Gabriele
M. Die 47-Jährige wird durch die Luft geschleudert, prallt auf dem Boden
auf, bewegt sich nicht mehr.
Panisch rennen die zwei Buben und zwei Mädchen in die Volksschule,
alarmieren Direktorin Karin Erthal. Nur durch Zufall ist heute die
Schulzahnärztin im Haus. Sie leistet erste Hilfe, bringt die Verletzte in
die stabile Seitenlage bringt, prüft immer wieder Atmung und Puls.
Direktorin Erthal verständigt unterdessen die Rettung, kurz darauf landet
der Christophorus-Hubschrauber im Schulgarten. Mit schweren Verletzungen
wird Gabriele M. ins Spital geflogen. Im Gespräch mit ÖSTERREICH sagt sie:
„Der Wagen war viel zu schnell unterwegs und hätte doch eigentlich nur 30 km
h fahren dürfen“ (siehe Interview).
Klar ist: Auch am Tag nach dem Unglück stehen Schüler, Lehrer und Eltern
unter Schock. In der ersten Schulstunde haben die Kinder Gabriele M. Bilder
gemalt und Briefe geschrieben. Wann sie wieder unterrichten wird können, ist
derzeit noch ungewiss.
Opfer: "Flog wie eine Puppe durch die Luft“
ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen einen Tag nach dem Unfall? GABRIELE
M: Ich kann mich kaum bewegen. Der Beckenknochen ist vermutlich
angeknackst, alle Rippen sind geprellt und am Oberschenkel habe ich
eine Rissquetschwunde. Aber im Spital sagen alle, ich habe Glück, dass
ich überhaupt noch lebe. Ärgerlich ist, dass der Unfall von der
Polizei falsch dargestellt wird.
ÖSTERREICH:
Inwiefern? Gabriele M.: Die haben offenbar einfach dem
Lenker geglaubt. Der sagt, er habe mich auf dem Schutzweg erst im
letzten Moment gesehen und mit nicht mehr als 20 km/h angefahren.
ÖSTERREICH:
Ihre Erinnerung ist anders? GABRIELE M.: Natürlich hat man
mich der Mann gesehen. Als ich auf dem Zebrastreifen über die Straße
ging, hat rechts ein Range Rover angehalten. Links kam der BMW X5 –
und dessen Lenker bremste zweimal kurz, als er mich bemerkte. Dann
aber gab er plötzlich Gas. Vielleicht wollte mich der Mann
erschrecken, vielleicht war er auch durch irgendwas abgelenkt. Fakt
ist, dass er mich in flottem Tempo mit dem linken Vorderteil des
Wagens gerammt hat.
ÖSTERREICH: Links vorne?
Heißt das, Sie waren schon auf der Fahrbahnmitte? GABRIELE
M: So ist es – und da will mich der Mann erst im letzten Moment
gesehen haben, weil ich angeblich „plötzlich vor dem Auto auftauchte“.
ÖSTERREICH:
Wie erlebt man so einen Unfall als Opfer? Gabriele M.:
Wie in Zweitlupe. Ich habe gespürt, wie ich getroffen wurde. Dann flog
ich wie eine Puppe durch die Luft und blieb verdreht liegen. Schmerzen
habe ich überhaupt keine gespürt – vermutlich durch den Schock.
ÖSTERREICH:
Eine Zahnärztin war Augenzeugin und hat Erste Hilfe geleistet? GABRIELE
M.: Das hat man mir später erzählt. Denn am Unfallort wurde mir
dann schwarz vor Augen. Hier im Spital SMZ Ost war ich dann bis 18 Uhr
im Schockraum.
ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass eine
Ampel vor dem Schutzweg Ihren Unfall verhindert hätte? GABRIELE
M.: Wie Sie wissen, bin ich Lehrerin und war auf dem Weg zum
Unterricht, als ich überfahren wurde. Über diesen Schutzweg gehen
jeden Tag auch viele Kinder, also sollte es auf jeden Fall eine Ampel
geben. Aber generell schützt nur Selbstverantwortung. Der BMW-Lenker
hätte ja vielleicht auch ein Rotlicht übersehen
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Direktorin Erthal: "Sogar Schüler haben den Unfall mit
angesehen“
ÖSTERREICH: Wie haben Sie den Tag des Unfalls erlebt? Karin
Erthal: Es war ein Tag wie jeder andere. In der Früh herrscht
auf der Grinzinger Straße immer ein sehr starker Verkehr, das war
auch am Mittwoch so. Wir haben zwar einen Schülerlotsen, aber sie
bleibt für Kinder eine sehr gefährliche Straße.
ÖSTERREICH:
Wie ist der Unfall überhaupt passiert? Karin Erthal:
Gabriele M. wollte wie immer die Straße queren, vier Schüler waren
sogar bei ihr. Es war schrecklich. Plötzlich hat ein Auto sie einfach
umgefahren. Ich kann das nicht verstehen. Der Mann sagt, er hat sie
nicht gesehen, aber das kann ich mir einfach nicht vorstellen.
ÖSTERREICH:
Wie haben die Schüler reagiert? Karin Erthal: Sie
hatten großes Glück, dass sie nicht auch erfasst wurden. Später wurden
sie dann von einer Psychologin betreut, konnten über alles sprechen.
Das war wirklich sehr wichtig.
ÖSTERREICH: Wieder
passierte ein schwerer Unfall auf einem Zebrastreifen, wieder auf
dem Schulweg. Karin Erthal: Ja, zum Glück ist es das
erste Mal, dass direkt etwas vor unserer Schule passierte. Aber es
ist sehr gefährlich. Wir fordern schon seit langem, dass an dieser
Stelle endlich eine Fußgängerampel oder Bodenschwellen errichtet
werden.
ÖSTERREICH: Haben Sie die Hoffnung,
dass diese nun passiert? Karin Erthal: Es ist schlimm,
aber: Vielleicht musste erst ein Unglück passieren, damit wir jetzt
unsere Ampel kriegen.
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