Vor einem Jahr schockte die Tragödie von Parndorf die Welt. Was damals passierte.
59 Männer, acht Frauen und vier Kinder starben in dem Kühllaster. Das jüngste Opfer, Lida Rahm aus Afghanistan, war zehn Monate alt. Sie erstickte mit ihrer Mutter Shakaeh Rahm (†27). Die fünf Männer, die den Todeslaster gekauft und nach Österreich gebracht haben, sitzen in Haft. Sie warten in Ungarn auf ihren Prozess, der Anfang 2017 beginnen wird.
26. 8. 2015, 4.30 Uhr: Kühl-Lkw startet südlich von Budapest
Am Steuer des weißen Volvo-Kühllasters sitzt Ivaylo S., ein Bulgare. Es ist 4.30 Uhr, als in einem Wald nahe der ungarischen Stadt Domaszék, direkt an der Grenze zu Serbien, 71 Flüchtlinge zusteigen. Die Ladefläche ist nur 14,26 Quadratmeter groß. Der Lkw wird verriegelt. In einem Audi A4 folgt als Aufpasser der Bulgare Vencislav T. dem Laster. Gekauft haben den Wagen Kassim S., Metodi G. und Samsooryamal L., zwei Bulgaren und ein Afghane, Tage zuvor südlich von Budapest. 20.000 Euro zahlten die Profischlepper für den Transporter und zwei Mercedes-Sprinter.
26. 8., 5.30 Uhr : Schon nach 1 Stunde ersticken Flüchtlinge
Es ist nicht klar, ob Ivaylo S. die Schreie hinten im Laster hören kann. Fahrerkabine und Kühlraum grenzen nicht aneinander. Fakt aber ist: „Schon nach etwa einer Stunde Fahrt“, rechnet der Forensiker Erwin Kepic gegenüber dem Spiegel aus, „war der Sauerstoffgehalt in der Atemluft zu gering, jener des Kohlendioxids zu hoch.“ Die Flüchtlinge wurden ohnmächtig. Es dürfte keinen langen Todeskampf in dem vollgepferchten Laster gegeben haben, so die Mediziner: keine Kratzspuren am Lkw, keine Partikel unter den Fingernägeln, kein erhöhtes Adrenalin im Blut – Kollaps, Atemstillstand und Herzstillstand. Der Bulgare fährt weiter.
27. 8., 7 Uhr: Beamte öffnen den Todes-Lkw – Schock
Bei Parndorf (Burgenland) stellt er seinen Lkw in einer Pannenbucht ab und flüchtet. Zwei Polizisten von der Autobahninspektion Potzneusiedl fällt der Lkw auf. Die Beifahrertür des vermeintlichen Hühnertransporters ist versperrt, die Fahrertür offen. Der Schlüssel steckt. Erst denken die Polizisten an verdorbene Ware. Dann öffnen sie die Ladetür und entdecken den schlimmsten Massenmord in der Zweiten Republik.(wek)+
Asylkrise: 80.000 kamen seit dem Parndorf-Drama
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Persönliche Dramen
Exakt 8.556 Menschen stellten im August 2015 einen Asylantrag in Österreich – in jenem Monat, in dem 71 Flüchtlinge auf der A 4 erstickten. 8.556 Schicksale und persönliche Dramen. -
Jahresbilanz
88.912 Anträge wurden im Jahr 2015 gestellt. Ihren Höhepunkt erreichte die Asylkrise im Oktober und November des Vorjahres mit jeweils mehr als 12.000 Asylanträgen. Seither sind die Zahlen rückläufig. Dennoch: Seit der Tragödie von Parndorf vor einem Jahr wurden 79.636 Asylanträge (Stand Ende Juli) in Österreich registriert. -
Neuer Ansturm
Europa erlebt gerade einen neuen Ansturm. Seit Anfang August landeten 1.277 Flüchtlinge auf griechischen Inseln – doppelt so viele wie in den ersten beiden Juliwochen. Zu uns kommen diese Menschen kaum mehr – die Balkanroute bleibt zu.