Nicht geständig
Eisenstangen-Killer ist in U-Haft
06.05.2016
Der Verdächtige bestreitet jedoch, am Tatort gewesen zu sein.
Über den 21-jährigen Mann, der in der Nacht auf Mittwoch eine 54 Jahre alte Frau auf ihrem Weg zur Arbeit am Brunnenmarkt mit einer Eisenstange erschlagen haben soll, ist am Freitagnachmittag die U-Haft verhängt worden. Das teilte die Sprecherin des Wiener Straflandesgerichts, Christina Salzborn, der APA mit.
Die Entscheidung des Haft- und Rechtschutzrichters kam insofern nicht überraschend, als bei Mordverdacht die bedingt obligatorische U-Haft vorgesehen ist. "Überdies wird in diesem Fall auch von Tatbegehungsgefahr auszugehen sein", sagte Salzborn.
Zurechnungsfähigkeit unklar
Der 21-Jährige zeigte sich bei seiner ersten justiziellen Befragung grundsätzlich "einvernahmefähig", bemerkte die Gerichtssprecherin: "Er bestreitet aber nach wie vor, am Tatort gewesen zu sein." Der Verdächtige wird sowohl von Spuren als auch Augenzeugen des blutigen Geschehens belastet.
Offen ist, ob der Mann zum Tatzeitpunkt überhaupt zurechnungsfähig und damit schuldfähig war. Zur Klärung dieser Frage wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein psychiatrisches Gutachten eingeholt. Die U-Haft ist vorerst bis 20. Mai rechtswirksam. Offenbar geht die Justiz derzeit nicht davon aus, dass es der psychische Zustand des 21-Jährigen erforderlich macht, diesen im Otto-Wagner-Spital (OSW) unterzubringen, wo psychotische Verdächtige vorläufig angehalten werden können.
Bekannt und gefürchtet
Der 21-Jährige war - wie sich nach der Bluttat herausstellte - am Brunnenmarkt seit längerem als Unruhestifter bekannt bzw. gefürchtet. Er lebte dort als Obdachloser und soll mit gewalttätigem Verhalten und als Cannabis-Straßenverkäufer eine Art "Stammkunde" der Polizeiinspektion Brunnengasse gewesen sein. Nach zwei gerichtlichen Verurteilungen - zuletzt kassierte er 2013 acht Monate teilbedingt, wovon er zwei Monate absitzen musste - attackierte er im Vorjahr erstmals einen Mann mit einer Eisenstange.
Dabei blieb es jedoch bei einer leichten Körperverletzung. "Zudem ist der Vorfall erst drei Wochen nach der Tat angezeigt worden", berichtete die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nina Bussek. Daher habe es aus damaliger Sicht keinen Grund gegeben, den 21-Jährigen in Haft zu nehmen: "Es hat sich um ein bezirksgerichtliches Delikt gehandelt."
18 Anzeigen
Laut Polizei wurde der 21-Jährige insgesamt 18 Mal angezeigt. Für die Justiz war er - mangels einer Meldeadresse - zuletzt nicht mehr greifbar und war daher zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Dass er keineswegs untergetaucht war, sondern am Brunnenmarkt regelmäßig als Störenfried in Erscheinung trat, sprach sich offenbar nicht bis zur Justiz durch. Bei Kontrollen durch die Polizei wurde ihm zwar mitgeteilt, dass er von der Staatsanwaltschaft gesucht wird. Das dürfte den 21-Jährigen aber nicht weiter interessiert haben. Behördliche Schriftstücke konnten ihm nicht zugestellt werden, da er keinen Wohnsitz hatte.
Kritik
Für den freiheitlichen Volksanwalt Peter Fichtenbauer ist es "nicht nachvollziehbar", dass der Mann zuletzt nicht mehr auffindbar gewesen sein soll, wie er am Freitag in einer Aussendung mitteilte. Er kündigte ein amtswegiges Prüfverfahren ein. Die zuständigen Stellen hätten "zu lange zugesehen", die Bluttat "hätte verhindert werden können", meinte Fichtenbauer.
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl kritisierte das Innenministerium, das es jahrelang verabsäumt hätte, den Mann nach Kenia abzuschieben. Der Mann war mit einem Touristenvisum als 14-Jähriger nach Österreich gekommen. Nach Ablauf des Visums kümmerte er sich nicht weiter um seinen Aufenthaltstitel. Trotz rechtskräftiger Verurteilungen blieb er im Land. Kickl kündigte eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister an.
Fremdenpolizeiliche Prüfung
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will unterdessen sämtliche negativ rechtskräftigen Asylbescheide - unabhängig vom Herkunftsland - Fall für Fall nochmals fremdenpolizeilich prüfen. Wie Sobotka-Sprecher Andreas Wallner am Freitag erläuterte, soll geklärt werden, woran in diesen Fällen jeweils die Abschiebung gescheitert ist. Außerdem hat Sobotka für kommenden Dienstag ein Treffen mit dem kenianischen Botschafter in Wien vereinbart, um Aussagen der diplomatischen Vertretung zu besprechen, die im Innenministerium Unmut erregt hatten. Im Unterschied zur Darstellung der Botschaft war laut Wallner die Abschiebung des Mordverdächtigen bisher nicht möglich, weil Kenia die dafür erforderlichen Papiere nicht ausgestellt hatte.
Geht es nach Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), sollen Innenminister Sobotka und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) ein "Maßnahmenpaket gegen Gewalt" ausarbeiten. Dafür sicherte Faymann seine "volle Unterstützung" zu. Der Kanzler sprach sich für "durchführbarere Maßnahmen" aus, um "konsequente Abschiebungen" möglich zu machen.