Familien-Drama erschütterte Österreich

Eltern erschlagen - das Protokoll des Grauens

16.01.2017

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© wgsc1901/ Der 85-jährige Vater Wilfried B.
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Der 85-jährige Vater Wilfried B., gelernter Feintäschner und jahrelang Obmann des Wiener Gehörlosen Sportclubs,  hatte vor neun Jahren seinen ersten Schlaganfalll, dem sollten weitere folgen. Und war deshalb bettlägrig.

Die Mutter Hannelore, die ihren Gatten zusammen mit dem Sohn gepflegt hatte, stürzte zu Silvester, was der Sohn allerdinngs nicht sofort bemerkte, weil die Knallerei draußen so laut war. Gerald B. (48)  fand die Mutter blutüberströmt. Und musste die Rettung rufen. Währenddessen erbrach sich der Vater im Bett.

Nach kurzer Zeit im Spital konnte auch die Mutter (75)  in häusliche Pflege überstellt werden, was den Sohn, der von den Erlebnissen ohnehin gestresst war, noch mehr belastete.

In seiner Verzweiflung kontaktierte der vom Aussehen her als völlig durchschnittlich aussehende Mann noch eine Pflegeberatung des Hilfswerks Perchtoldsdorf an und machte einen Termin für Mitte des Monats aus. Dazu sollte es allerdings nicht mehr kommen.

Gedanken liefen "Amok"
Zwischenzeitlich liefen seine Gedanken rund um die Uhr „Amok“. Angeblich scheiterte eine Unterbringung des Vaters in einem Pflegeheim der von der Krankenkasse zu niedrig eingestuften Pflegestufe. Gerald B. überlegt auch, das Haus (in dem er sein ganzes Leben verbracht hatte) umzubauen und wollte seine Eltern überreden, ins Erdgeschoß zu ziehen. Was diese vehement ablehnten.

In der Firma war es vor Weihnachten stressig gewesen. Der ÖBBler fühlte sich „ausgelaugt“, war aber nie in psychischer Behandlung und ist völlig unbescholten.

Gerald W., der einzig Hörende in der Familie (neben den Eltern sind auch seine beiden Schwestern taub), musste sich von klein auf um alle anderen Familienmitglieder kümmern, er war das Sprachrohr zur Außenwelt, in der Schule wurde er allerdings gemobbt, als der „Bub von den Fuchtlern“ (womit wohl die Ausübung der Gebärdensprache zu verstehen ist...)

Er hatte noch nie eine Frau oder eine Beziehung und bezeichnet sich selbst in seinen eigenen Worten als „MoF“, als einen „Menschen ohne Freunde“.

Gerald B. war also völlig allein und  komplett überfordert. Und er wollte seine Schwestern, vor allem die jüngere, die ihr eigenes Leben führten, nicht mit der Pflege der Eltern belasten.

„Ich sah einfach keinen Ausweg mehr…“

An den Tattag selbst kann oder will er sich nicht mehr genau erinnern. Seine Eltern hätten schlecht geschlafen. Er kann sich kann sich nur noch erinnern, dass er wusste, dass sie immer gemeinsam sterben wollten. Dann schnappte er sich den Baseballschläger und schlich sich in aller Früh ins Schlafzimmer seiner Eltern. Das einzige Licht kam von der eingeschalteten Weihnachtsbeleuchtung am Christbaum.

„Ich habe gehofft, dass es schnell vorbei ist.“

Zu seiner Anwältin Astrid Wagner sagt er: „Hätte man mir am Vortag gesagt, was ich da machen werden, ich hätte es für unmöglich gehalten.“

Wagner: „Mein Mandant, der in Wiener Neustadt in U-Haft sitzt und selbst noch unter Schock steht, kann sich das alles nicht erklären. Meiner Ansicht nach ist das Ganze in einem psychischen Ausnahmezustand geschehen.“

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