48-Jähriger vor Gericht
Eltern getötet: Mordprozess in Wr. Neustadt
27.06.2017
Der immer wieder aufweinende Angeklagte bekannte sich schuldig.
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Am Landesgericht Wiener Neustadt hat am Dienstag ein zweitägiger Mordprozess begonnen. Ein 48-Jähriger bekannte sich schuldig, seine Eltern (85 und 75) Anfang Jänner im gemeinsamen Haus in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling) durch Schläge mit einem Baseballschläger getötet zu haben. Am kommenden Dienstag (4. Juli) werden weitere Zeugen und Gutachten gehört, ehe ein Urteil gefällt werden soll.
Schwieriger familiärer Hintergrund
Die Staatsanwältin beschrieb die mehrfachen wuchtigen Schläge und sprach von vorsätzlicher Tötung, beleuchtete vor den Geschworenen aber auch den schwierigen familiären Hintergrund: Der unbescholtene ÖBB-Beamte hatte sich seit Jahren um seine pflegebedürftigen gehörlosen Eltern gekümmert und laut Gutachten seine eigenen Bedürfnisse immer hintan gestellt. Der Vater war nach mehreren Schlaganfällen gehandicapt und wurde von seiner Frau versorgt. Als diese zu Jahresende die Treppen hinunterstürzte und sich zahlreiche Prellungen zuzog, eskalierte die Situation. Der Angeklagte bekam einige Tage Pflegeurlaub bewilligt und versuchte, über das Hilfswerk Unterstützung zu organisieren. In einer Nacht dann griff er jedoch zu dem Schläger, verständigte danach den Notruf und sagte gegenüber der Polizei, er habe seine Eltern "endlich" erschlagen.
Ihr Mandant verstehe bis heute nicht, wie er die Hand gegen seine eigenen Eltern erheben konnte, erklärte Rechtsanwältin Astrid Wagner. Sie habe noch nie jemanden verteidigt, der derart unter der Last seiner Schuld leide. Zwei Tage nach der Tat habe er im Gefängnis einen Suizidversuch unternommen und sei seitdem in psychiatrischer Behandlung.
"Es wäre immer so weiter gegangen"
Wagner schilderte, dass der 48-Jährige, der zwei jüngere Schwestern hat, der einzige Hörende in der Familie war - in der Jugend als Außenseiter gehänselt, zeitlebens zur Unterstützung zu Hause lebend, während sich die Schwestern schon früh vom Elternhaus abnabelten. Vom Naturell her keiner, der aufmuckt, war er derjenige der Geschwister, der - unausgesprochen - für die Eltern zuständig war.
So vergingen die Jahre, die Eltern wurden alt und zunehmend gebrechlich. Der Vater, ein selbstbewusster, dominanter Mann, hatte mit 78 einen ersten Schlaganfall. Den in der Folge von den Ärzten empfohlenen Rollator lehnte er laut der Verteidigerin ebenso ab wie Windeln wegen Inkontinenz. Die Mutter wurde mit dem Haushalt immer weniger fertig, eine Putzfrau kam aber nicht infrage. Die Wohnetagen zu tauschen, damit die alten Leute sich die Treppe ersparen, wurde ebenso abgelehnt.
"Es wäre immer so weiter gegangen", schluchzte der gebrochen wirkende Angeklagte auf, als ihn Richterin Birgit Borns nach dem Warum fragte, da ja zum Tatzeitpunkt eigentlich bereits Unterstützung durch das Hilfswerk avisiert gewesen war. "Haben Sie vielleicht einen Zorn auf den Vater gehabt?" Auf die Frage, wieso er zuerst die Mutter erschlagen habe, wiederholte er weinend mehrmals: "Ich weiß es nicht."
"Völlige Erschöpfung"
Auch die Schwestern, die in Gebärdensprache aussagten, bestätigten den Widerwillen des Ehepaares gegenüber jeglicher Hilfe außerhalb der Familie, und dass der Vater immer sturer geworden sei. Ihr Bruder sei aber immer freundlich, ruhig und bescheiden gewesen und habe sich nie beschwert. "Die Eltern waren mit Sicherheit sehr froh, einen hörenden Sohn zu haben", sagte die 46-Jährige. Wann immer sie selbst helfen wollte, hieß es, ihr Bruder kümmere sich eh. Sie räumte auch ein, von Besuchen im Elternhaus schnell "leicht genervt" gewesen zu sein. Die jüngere Schwester (38) war nach dem kurzen Spitalsaufenthalt der Mutter entsetzt über deren schlechten Gesundheitszustand und Verwirrtheit und ortete bei ihrem Bruder "völlige Erschöpfung".
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