600 Beben pro Jahr werden gemessen - Italien: 16 Tote, 14.000 sind obdachlos
Allein 1.800 besorgte Personen aus ganz Österreich haben sich nach dem Beben in Italien bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien gemeldet: „Die meisten aus Tirol (670), Kärnten (160) und Salzburg (20)“, rechnet Seismologe Anton Vogelmann (siehe Interview) vor.
Gemeldet wurden klirrende Gläser, schwankende Möbel, Wände, wackelnde Lampenschirme, aber keine Schäden.
Das Beben in Modena, das 16 Todesopfer forderte und 14.000 obdachlos machte, erreichte eine Stärke von 5,8 nach der Richterskala: „Eine Intensität zwischen 5,0 und 6,0 ist auch bei uns jederzeit möglich“, warnt der Seismologe: „Die tektonischen Verhältnisse in der Po-Ebene sind mit jenen in Südkärnten und Tirol vergleichbar“, argumentiert er (siehe Interview).
Im Klartext bedeutet das: Es wird auch bei uns ein stärkeres Beben kommen: „Wir können nur nicht sagen, wann – aber ein Erdbeben dieser Größenordnung ist überfällig“, warnt Stefan Thaler, stellvertretender Leiter der Tiroler Landeswarnzentrale.
Das Tiroler Inntal gilt als besonders gefährdet, ebenso das Wiener Becken, die Mur- Mürz-Furche in der Steiermark und Südkärnten. 1348 stürzte nach einem Monsterbeben in Friaul ein Teil des Villacher Hausbergs Dobratsch ab – 17 Dörfer wurden verschüttet.
Erdbeben-Übungen und 30 Messstellen in Österreich
Um auf ein Jahrhundertbeben vorbereitet zu sein, wurde jetzt in Tirol der Ernstfall geübt: Unter dem Titel „Terrex 2012“ probten 2.000 Soldaten die Katastrophe nach einem Beben der Stärke 6,3 im Gebiet Kufstein
Kiefersfelden und Reutte/Füssen: „Tirol ist vorbereitet, wenn die Katastrophe kommt“, sagte danach VP-Landeschef Günther Platter.
Stärkstes Beben bei uns: 5,3 nach Richterskala
Panik vor dem Big Bang ist dennoch keine angebracht: Zwar werden von den 30 Austro-Messstellen rund 600 Beben pro Jahr gemessen, heuer waren es bereits 311. Die meisten sind aber so schwach, dass sie kaum wahrgenommen werden. Eines der stärksten Beben war jenes am 16. April 1972 – 5,3 nach Richter. Das Epizentrum lag damals in Seebenstein (NÖ), Erschütterungen waren bis Wien zu spüren: Kamine kippten, der Vorbau der Universität stürzte ab.
Alle 75 bis 100 Jahre treten bei uns Erdbeben auf, die schwere Gebäudeschäden verursachen. Für die große Katastrophe müsste es eine Erschütterung über 6,0 geben, sagen die Experten: „Die hat es aber seit 2000 Jahren nicht gegeben“, sagt Seismologe Vogelmann.
2012: 311-mal bebte die Erde
30 Erdbeben-Messstellen gibt es in Österreich, sie sind über das ganze Land verteilt. Die Seismografen zeichnen dort selbst die kleinsten Erdstöße auf, die meisten sind so schwach, dass Menschen sie gar nicht registrieren.
So exakt sind diese Messgeräte, dass sie Weihnachten 2004 sogar die Erschütterungen des Erdbebens im Indischen Ozean registrierten, das die damalige Tsunami-Katastrophe auslöste.
Schäden. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) registriert jedes Jahr rund 600 Beben in Österreich, wahrgenommen werden nur zwischen 30 und 50 jährlich.
Erdbeben, die Gebäudeschäden verursachen, treten in Österreich in sehr unregelmäßiger Folge auf. Durchschnittlich gibt es alle drei Jahre Beben mit leichten Gebäudeschäden, alle 15 bis 30 Jahre eines mit mittleren Gebäudeschäden und alle 75 bis 100 Jahre ein Erdbeben, das vereinzelt auch zu schweren Gebäudeschäden führen kann.
Seismologe Anton Vogelmann über die Erdbebengefahr in Österreich
ÖSTERREICH: Sind Beben wie jetzt in Modena auch bei uns möglich?
Anton Vogelmann: Ja, Beben bis 6,0 nach Richter wären auch bei uns denkbar. Die Verhältnisse sind mit jenen in der Po-Ebene durchaus vergleichbar. Das bedeutet aber nicht, dass die Auswirkungen ebenso dramatisch wären wie jetzt in Italien.
ÖSTERREICH: Welche Gebiete sind bei uns besonders gefährdet?
Vogelmann: Die Mur-Mürz-Furche, das Tiroler Inntal, das Wiener Becken, der Süden Kärntens. Hier schiebt die afrikanische Platte gegen die europäische. An den Kollisionspunkten weicht die Erdkruste nach Osten und Westen aus. Diese Gebiete werden regelmäßig erschüttert.
© EPA
© EPA
© EPA
© EPA
© EPA
© EPA
© EPA
© EPA