Ein Gericht in Dubai verurteilte den oberösterreichen Arzt zu lebenslanger Haft.
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Hartes, für den betroffenen österreichischen Arzt Eugen Adelsmayr unverständliches Urteil eines Gerichts in Dubai: Der Anästhesist und Intensivmediziner wurde am Sonntag in einem Mordprozess in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Sein Mitangeklagter, ein indischer Arzt, wurde freigesprochen. Dem Arzt und seinem Mitangeklagten war vorgeworfen worden, im Jänner 2009 im Rashid-Hospital in Dubai bei einem Patienten mit hoher Querschnittläsion durch Unterlassung der Hilfeleistung sowie Morphin dessen Tod herbeigeführt zu haben.
Die Reaktion von Eugen Adelsmayr auf das Urteil:
"Es fällt mir schwer, diese Farce zu kommentieren. In dieser Form habe ich das einfach nicht erwartet. Der Unschuldige wurde verurteilt, den ausführenden Arzt haben sie freigesprochen. Ich war ja damals nicht im Krankenhaus, hatte 36 Stunden frei. Am schlimmsten ist die Frage, ob jetzt ein internationaler Haftbefehl gegen mich ausgestellt wird, Sollte dem so sein, werde ich natürlich meine Reisetätigkeit danach ausrichten müssen. Das Ganze ist eine Farce, ein Wahnsinn. Ich muss jetzt mit dem Bewusstsein der Ungerechtigkeit leben. Einen Einspruch gegen das Urteil werde ich nicht einlegen. Dazu müsste ich nach Dubai reisen. Ich will nicht aus dem Gefängnis dej Einspruch erheben müssen."
(c) TZ ÖSTERREICH, Das Gericht in Dubai
Interview mit Eugen Adelsmayr vor der Urteilsverkündung:
ÖSTERREICH: Herr Adelsmayr, heute am Vormittag soll in Dubai das Urteil im Mordprozess fallen. Sind Sie nervös?
Eugen Adelsmayr: In den letzten Tagen ist die Anspannung zwar gewachsen, aber ich versuche, das Urteil emotionslos auf mich zukommen zu lassen. Insofern habe ich keine Erwartungshaltung.
ÖSTERREICH: Auch die Todesstrafe bewegt sie nicht?
Adelsmayr: Natürlich hoffe ich auf ein harmloses Urteil wegen Fahrlässigkeit. Dann würde mich auch die Berufung des Staatsanwaltes nicht belasten. Bei einem gravierenden Urteil würde ich auf die Fahndungsliste kommen, und da bleibt natürlich bei Reisen ständig die Angst, ausgeliefert zu werden.
ÖSTERREICH: Vor drei Wochen erschien Ihr Buch. Zufrieden mit der bisherigen Bilanz?
Adelsmayr: Erfreulich sind für mich die Mails und Briefe, die ich von Lesern bekomme. Sie nehmen es nicht als Sachbuch war, sondern als spannende Lektüre. Viele sind überrascht, dass ein Arzt so spannend schreiben kann.
ÖSTERREICH: Wie haben Ihre Familie und Ihre Söhne das Buch aufgenommen?
Adelsmayr: Unterschiedlich. Meine Söhne waren in den Entstehungsprozess eingebunden, haben immer wieder Passagen Probe gelesen. Meine Mutter und auch meine Schwägerin haben das Buch bis jetzt nicht fertig lesen können. Sie mussten zu viel weinen. Zwar habe ich mich bemüht, nicht zu emotional zu sein, aber die Familie kann eben auch zwischen den Zeilen lesen.
Nächste Seite: Die Chronologie des Falles:
Bereits im Juli 2011 ist in Dubai der Mord-Prozess gegen den Mediziner Eugen Adelsmayr eröffnet worden. Mit der Urteilsverkündung am Sonntag hat es seither 20 Verhandlungstage gegeben, mehrmals wurde der Prozess kurzfristig vertagt. Im Folgenden eine Chronologie vom medizinischen Zwischenfall über die Anklage bis zur Urteilsverkündung.
14. Jänner 2009: Ein 46-jähriger pakistanischer Arbeiter wird mit einer Halswirbelverletzung und hoher Querschnittläsion in das Rashid-Hospital eingeliefert. Mitte Jänner reicht Adelsmayr seine Kündigung in diesem Krankenhaus ein.
21. Februar 2009: Der pakistanische Patient verstirbt, 36 Stunden nachdem Adelsmayr das Krankenhaus verlassen hat. Laut den Behörden soll der Bad Ischler gemeinsam mit einem indischen Kollegen den Patienten durch Unterlassung von Hilfeleistung sowie eine hohe Dosis Morphium getötet haben. Adelsmayr soll außerdem eine Order ausgegeben haben, dass der Kranke im Falle eines Herzstillstands nicht wiederbelebt werden soll. Ein Kollege des österreichischen Mediziners initiiert eine Untersuchung durch die "Dubai Health Authority".
April 2009: Adelsmayr beginnt im Al Ain Hospital als Leiter des Departments für Anästhesie und Intensivmedizin zu arbeiten.
Dezember 2009: Adelsmayr wird in Dubai die Ärztelizenz entzogen. Aufgrund dessen wird er vom Al Ain Hospital vom 15. Dezember 2009 bis zum 6. April 2010 suspendiert. Der Anästhesist strengt beim "Higher Commitee for Medical Liability" (HCML) ein Berufungsverfahren an. Dieses Komitee ist die höchste Instanz in medizinischen Fragen in den VAE. Noch während der laufenden Untersuchung durch das HCML langt bei der Polizei eine Anzeige mit den gleichen Anschuldigungen ein.
17. Mai 2010: Adelsmayr wird von der Polizei verhört, sein Pass wird ihm abgenommen, er darf die VAE nicht mehr verlassen. Die Polizei leitet den Fall an die Staatsanwaltschaft Dubai weiter.
Dezember 2010: Der Abschlussbericht des HCML spricht den Mediziner von allen ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen frei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt dennoch weiter. Den Bericht erhält der Mediziner allerdings erst im Jänner. Er verbringt den Heiligen Abend allein in Dubai.
17. Juli 2011: Im Dubai Courts wird in Verhandlungssaal 4 der Prozess gegen den Oberösterreicher eröffnet. Sowohl er als auch sein indischer Kollege bekennen sich nicht schuldig. Einen Tag später wird der mittlerweile 53-Jährige vom Al Ain Hospital suspendiert.
7. August 2011: Eine weitere Verhandlung wird auf den 7. September vertagt. Der Termin dauert wegen des Fastenmonats Ramadan nicht lange. Bei der Frau des Mediziners wird eine weit fortgeschrittene Krebserkrankung diagnostiziert. Adelsmayr hat keinen Pass und darf aus den VAE nicht ausreisen.
7. September 2011: Der Prozess wird abermals vertagt. Alle fünf Zeugen der Anklage, die gegen den Arzt aus Bad Ischl hätten aussagen sollen, bleiben der Verhandlung unentschuldigt fern.
10. September 2011: Ein Expertenteam des Außenministeriums trifft in den VAE ein. Geplant sind Gespräche mit hohen Vertretern aus Politik, Gesundheit, Medizin und Justiz, um den angeklagten Mediziner vorübergehend zu seiner schwer kranken Frau nach Österreich ausreisen zu lassen.
25. September 2011: Endlich kann der Prozess fortgesetzt werden - drei von fünf geladenen Zeugen erscheinen und geben ihre Aussagen zu Protokoll.
27. September 2011: Durchbruch bei den diplomatischen Verhandlungen: Adelsmayr erhält nun doch die Erlaubnis, zu seiner schwer kranken Frau nach Österreich heimzukehren, der Anästhesist bekommt seinen Pass zurück. Das Außenministerium gibt keine Garantie ab, dass der Mediziner wieder nach Dubai zurückkehrt.
28. September 2011: Der zweifache Vater kehrt das erste Mal seit Weihnachten 2009 wieder zurück nach Österreich. Er landet um 5.37 Uhr am Flughafen Wien-Schwechat. Bei seiner Rückkehr wird er von Dutzenden Journalisten empfangen.
16. Oktober 2011: Prozessfortsetzung. Bereits zwei Tage zuvor, am 14. Oktober, reist Adelsmayr zurück nach Dubai. In der rund zweieinhalbstündigen Verhandlung wiederholt der Hauptbelastungszeuge, ein Mediziner, seine Vorwürfe, kann diese aber nicht begründen. Die zweite Zeugin, eine Krankenschwester, erneuert ihre bisherigen Anschuldigungen nicht. Der 52-Jährige darf seinen Pass behalten und in der Prozesspause erneut nach Österreich zurückreisen.
30. Oktober 2011: Nächster Verhandlungstag im Wüstenstaat. Erstmals sind Entlastungszeugen der Verteidigung - eine Oberschwester und ein Ärztin - an der Reihe. Die fünf Wochen bis zur nächsten Verhandlung verbringt der Mediziner wieder in Österreich.
7. Dezember 2011: Der Mediziner steht zum siebenten Mal in den VAE vor Gericht. Da einen Tag zuvor der gesamte Krankenakt des verstorbenen Patienten eingelangt ist, bringt Adelsmayr einen Antrag auf Vertagung ein, der Richter gibt dem statt.
24. Dezember 2011: Adelsmayr verbringt erstmals seit 2009 den Heiligen Abend wieder im Kreise seiner Familie in Bad Ischl.
28. Dezember 2011: In den VAE wird der Prozess fortgesetzt. Die Anwälte des Anästhesisten lassen vor Gericht eine Bombe platzen. Die Rechtsvertreter fanden heraus, dass das Gutachten, auf dem die Mordanklage basiert, manipuliert worden ist. Auf dem Dokument des staatlichen Krankenhausträgers basiert die Mordanklage gegen den Mediziner. Doch in der Übersetzung aus der Originalsprache Englisch ins Arabische fehlten plötzlich 19 Seiten. Alle entlastenden Punkte sind weggelassen bzw. einige Punkte hinzugefügt worden, die im Original nicht zu finden seien, sagt Adelsmayr zur APA.
20. Jänner 2012: Der Bad Ischler muss einen weiteren Schicksalsschlag hinnehmen - seine Frau verstirbt im 57. Lebensjahr. "Wir waren 30 Jahre lang ein Paar, 26 Jahre davon waren wir auch verheiratet", sagt Adelsmayr.
22. Jänner 2012: Der neunte Verhandlungstermin wird nach einem Antrag der Verteidigung wie erwartet verschoben.
11. Februar 2012: Erneut gibt es diplomatische Gespräche in Dubai. Für fünf Tage reist Elisabeth Ellison-Kramer, Chefin der Rechtsabteilung im Außenministerium, in die VAE.
22. Februar 2012: Zehnter Verhandlungstermin. Der Intensivmediziner nimmt erstmals nicht an der Verhandlung in den VAE teil. Aus familiären Gründen bleibt er in Österreich. Die ursprünglich geplanten Schlussplädoyers der Verteidigung finden nicht statt. Stattdessen wird ein Antrag der Anwälte des mitangeklagten indischen Arztes auf Fortführung des Verfahrens vom Richter zugelassen. Es ist das erste Mal, dass die Verteidigung des Zweitangeklagten im gesamten Prozess tätig wird. "Meine Anwältin hat das Schlussplädoyer allerdings nach der Verhandlung elektronisch via Staatsanwaltschaft bei Gericht eingebracht", sagt Adelsmayr.
März 2012: Ende März beginnt der Bad Ischler als selbstständiger Anästhesist in einer Privatklinik in Salzburg zu arbeiten.
März - Juni 2012: Sechs weitere Verhandlungsrunden finden in Dubai statt.
1. Juli 2012: 17. Prozesstermin: Ein Sachverständiger sagt, nachdem er bereits mehrmals geladen war aber der Verhandlung fernblieb, vor Gericht aus. Er kann aber keine neuen Erkenntnisse liefern.
22. Juli 2012: Zum 18. Mal wird der Fall Adelsmayr in Dubai verhandelt. Die Verteidigung des mitangeklagten Inders beantragt die Schlussplädoyers für den nächsten Prozesstermin.
19. September 2012: Ein Ende des zähen Prozesses zeichnet sich ab: Der Richter kündigt bei der mittlerweile 19. Verhandlung ein Urteil für den 21. Oktober an. Adelsmayr wird dazu nicht nach Dubai fliegen, sagt er im Gespräch mit der APA.
27. September 2012: Adelsmayrs Buch "Von einem, der auszog" erscheint. "Ich habe es geschrieben, so wie wenn ich es meiner Frau erzählen würde", sagt er im Gespräch mit der APA. Es ist seiner im Jänner verstorbenen Frau gewidmet.
21. Oktober 2012: Am 20. Verhandlungstag verurteilt der Richter Eugen Adelsmayr in dessen Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Sein mitangeklagter indischer Kollege wird freigesprochen. Der Oberösterreicher bezeichnet das Urteil als "Farce".