Faktencheck

Gibt es ab 2022 keine bunten Tattoos mehr?

01.10.2021

In der Europäischen Union treten ab Jänner 2022 neue Richtwerte für Tattoo-Farben in Kraft. Was nun verboten wird.

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In Sozialen Medien versuchen einige User derzeit gegen die EU-Verordnung zu mobilisieren. "Ab 2022 gibt es keine Tattoofarben mehr in der EU! Nur ein paar Marken Schwarz sind noch übrig!!!" heißt es etwa in einem Facebook-Posting . Auch andere Beiträge weisen auf die Gefahr hin, dass das breite Spektrum an Tattoo-Farben bald vom Markt verschwindet. 

Eine Bagatelle wäre dies nicht, immerhin ist bereits jeder vierte Österreicher tätowiert. Zehn Prozent ließen sich bereits mehrfach verzieren.

Einschätzung

Tatsächlich könnten farbige Tattoos durch die neuen Bestimmungen ab dem kommenden Jahr vorerst nicht möglich sein. Auch wenn die EU-Verordnung nicht konkret Farben verbietet, können gängige Tattoo-Farben durch die neuen erlaubten Richtwerte und Obergrenzen für Inhaltsstoffe ab Anfang 2022 vorerst nicht verwendet werden. Hersteller haben derzeit große Probleme, geeignete Alternativen zu produzieren.

Überprüfung

Ab dem Jahr 2022 dürften in der Tattoo-Branche wichtige Farben nicht mehr vorhanden sein. Grund dafür ist eine Verordnung der EU, gewisse Inhaltsstoffe zu reglementieren, da sie nicht der EU-Chemikalienverordnung "REACH"  entsprechen. Es soll kommendes Jahr in Kraft treten.

Insgesamt seien laut European Chemicals Agency (ECHA) etwa 4 000 chemische Substanzen betroffen , deren Verwendung ab 4. Jänner 2022 eingeschränkt wird. Davon gebe es lediglich für die Pigmente "Blau 15:3" und "Grün7" derzeit keine "adäquate" Alternative. Deswegen erhielten diese Farben einen längeren Übergangszeitraum bis 4. Jänner 2023. Die EU beteuerte, bei ihren Überlegungen die Verfügbarkeit sicherer Alternativen, sozioökonomische Auswirkungen einer Restriktion der betroffenen Substanzen und mögliche Änderungen der Versorgungskette und des Preises miteinbezogen zu haben.

Laut dem deutschen Tattoo-Bundesverband wären zwei Drittel aller Tattoo-Farben am Markt alleine durch das Verbot der beiden Pigmente betroffen. Darauf verweist auch die Österreichische Tätowierer und Piercer Vereinigung (ÖTPV) in einem Facebook-Posting. Die Tattoo-Webseite "feelfarbig" erklärt ebenfalls, dass dadurch zwar zahlreiche Farben aus dem Sortiment verschwinden würden, aber nicht von einem Verlust aller Farben gesprochen werden könne.

Lieferengpässe

Die Tattoo-Szene könnte dennoch zu Beginn des kommenden Jahres aufgrund von Umstellungen, Anpassungen und Lieferengpässen zu kämpfen haben. Der Verein Deutsche Organisierte Tätowierer (DOT) berichtet etwa davon, dass es vielen Herstellern noch nicht gelungen ist, die in Zukunft verbotenen Inhaltsstoffe durch andere zu ersetzen. Man habe bisher ungenügende Informationen erhalten, wann mit Alternativen gerechnet werden kann.

"Inwiefern Hersteller ab Jänner REACH-konforme Alternativen für andere Farben anbieten können, ist noch gänzlich unbekannt. Derzeit sieht es so aus, als könnte nur ein Hersteller bis dahin EU-konforme Farben herstellen", erklärte Mark Neubauer, Fachgruppenvertreter der Wirtschaftskammer Niederösterreich, auf Anfrage der APA. Es sei gut möglich, dass es einige Zeit dauern könnte, bis wieder geeignete Farben zur Verfügung stehen.

Hersteller von Tattoofarben hätten laut Neubauer große Probleme damit, geeignete REACH-konforme Alternativen zu erzeugen. Diese müssten dann durch das Bewertungsverfahren für den Verbraucherschutz RAPEX geprüft werden. "In Österreich gibt es nur einen Hersteller, der REACH-konforme Farben für Schwarz und Weiß herstellen kann", so der Fachgruppensprecher.

Bei diesem Unternehmen handelt es sich um den steirischen Hersteller "I AM INK". Dort bestätigte man die Sorgen. "Wie beschrieben fallen, wenn wir rein nur die Tatsache der Pigmentverbote betrachten, im Jänner 2023 66 Prozent der Farben weg. Tatsache jedoch ist, dass die Zusammensetzung der Farben im Hier und Jetzt nahezu 100 Prozent noncompliant zur REACH sind und somit gar keine Farbe in diesem Sinne überbleibt. Schwarz und Weiß sind derzeit nur unter erhöhtem Aufwand konform herzustellen", erklärte Chemieingenieur Michael Dirks, der nach eigenen Angaben bereits seit 2006 im Bereich der Tattoomittel aktiv ist.

Laut einigen Herstellern gebe es bereits konforme Farben. Ob dies der Wahrheit entspricht, werde sich mit der Zeit zeigen, so Dirks. Er selbst glaube gemäß der Inhaltstoffe nicht an eine Konformität. Dirks ist zugleich Vorstandsmitglied der European Society of Tattoo and Pigment Research und führt gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen derzeit eine Petition gegen die EU-Verordnung an.

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) berief sich bei einer Anfrage ebenfalls auf die Experten Dirks und Erich Mähnert und bestätigte diese Informationen. Bis dato läge der WKO keine Information der Hersteller vor, ob sie bis um 04.01.2022 Farben für die Bereiche Tätowieren und Permanent-Make-Up liefern können. Laut einigen von der WKO kontaktierten Herstellern werde bereits an konformen Farben gearbeitet. Allerdings gebe es keine weiteren Informationen, ob diese bis zum Stichtag am Markt verfügbar sein werden. Die WKO befürchtet ein Ausweichen der Kunden auf den Schwarzmarkt.
 

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