Und: Adamovich will beweisen, dass Kampusch-Mutter nicht "liebevoll" war.
Am kommendem Donnerstag, dem 24. Dezember, steht der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfgGH), Ludwig Adamovich, vor Gericht. Er muss sich wegen übler Nachrede im Wiener Straflandesgericht verantworten, nachdem ihn die Mutter von Natascha Kampusch, Brigitte Sirny, geklagt hatte. Adamovich will nun beweisen, dass Sirny mit ihrer Tochter "nicht liebevoll und zärtlich umgegangen ist". So steht es in einem Beweisantrag, den Adamovichs Anwalt Christoph Herbst bei Gericht eingebracht hat.
Ausgangspunkt ist ein Interview, in dem der 77-jährige Spitzenjurist in seiner Funktion als Leiter der Evaluierungskommission in der Causa Kampusch behauptet hatte, für Natascha Kampusch wäre die Zeit ihrer Gefangenschaft womöglich "allemal besser" gewesen "als das, was sie davor erlebt hat". Kampuschs Mutter fühlte sich davon persönlich angegriffen. Sie will Adamovich bestraft sehen.
Sechs Zeugen
Dieser hat den Wahrheitsbeweis für die getätigte
Aussage angeboten und bereits etliche Beweisanträge vorgelegt, die darauf
abzielen, seine Behauptung zu untermauern. So sollen sechs Zeugen aus dem
Bekanntenkreis der Familie Kampusch aufmarschieren, die laut Adamovich
belegen können, dass das Mutter-Tochter-Verhältnis nicht das Beste war. Auch
andere Mitglieder aus der Evaluierungskommission hat deren Leiter als Zeugen
nominiert.
Richterin Birgit Schneider hat für den Verhandlungstag am Heiligen Abend nur die Einvernahme Adamovichs geplant. Möglicherweise wird sie anschließend noch Sirny zeugenschaftlich vernehmen. Ob die auf zwei Stunden anberaumte Verhandlung danach geschlossen oder zur Ladung weiterer Zeugen vertagt wird, war vorerst nicht absehbar.
Kein Scherz
Schneider verteidigte den ungewöhnlichen
Verhandlungstermin, den einige Medienvertreter zunächst für einen Scherz
gehalten hatten: "Grundsätzlich sind meine Verhandlungstage Dienstag und
Donnerstag. Wie die Justiz im Allgemeinen, bin auch ich überlastet. So habe
ich am 22. Dezember bereits fünf Verhandlungen ausgeschrieben. Da war diese
Sache nicht mehr unterzubringen. Es war mir einfach nicht möglich, innerhalb
eines vertretbaren zeitlichen Rahmens einen anderen Termin als den 24. zu
finden."
Fall Kampusch vor Abschluss
Die Ermittlungen im Entführungsfall
Natascha Kampusch stehen derweil offenbar kurz vor dem Abschluss: Der
zuständige Grazer Staatsanwalt Thomas Mühlbacher sollte im Laufe des
Freitags den Abschlussbericht der Ermittler erhalten. "Ich werde ihn
über das Wochenende studieren", sagte Mühlbacher. Eine
Entscheidung darüber, ob die "Akte Kampusch" geschlossen
wird, könnte also bereits kommende Woche fallen.
Mühlbacher will seinen Bericht Anfang der Woche zur Oberstaatsanwaltschaft nach Wien schicken, die dann über das weitere Vorgehen entscheiden muss. "Wenn es eine Entscheidung gibt, werden wir ausführlich öffentlich dazu Stellung nehmen", sagte der Staatsanwalt. Bis dahin will er aber keine inhaltlichen Angaben zu den Ermittlungsergebnissen machen.
Alternative Theorien
Fest steht aber, dass die zentrale Figur der
bisherigen Ermittlungen Ernst H. war. Der ehemals enge Freund von
Kampusch-Entführer Wolfgang Priklopil wird in der Causa als Mitbeschuldigter
geführt. Die Oberstaatsanwaltschaft muss nun entscheiden, ob das Verfahren
gegen ihn eingestellt wird oder nicht bzw. ob H. wegen Mitwisserschaft oder
Begünstigung zum Selbstmord belangt wird.
H. hatte während seinen neuerlichen Einvernahmen in zwei entscheidenden Punkten plötzlich seine Aussage geändert. So gab er an, dass ihm Priklopil kurz vor dessen Selbstmord die Tat gestanden habe, was sein etwaiges Insiderwissen erklären würde. Auch für einen verdächtigen Geldfluss zwischen ihm und Priklopil in etwa zum Zeitpunkt der Entführung lieferte er den Ermittlern eine andere Variante. In dem Bericht will Mühlbacher auch zu alternativen Theorien Stellung nehmen, "sofern es auch tatsächliche Hinweise gab. Behauptungen, dass Frau Kampusch eine Nachfahrin von Jesus Christus sei, sind wir nicht nachgegangen", so der Staatsanwalt. Sehr wohl einschätzen will er aber die seit Jahren im Raum stehende Hypothese, dass hinter der Entführung ein "Täter-Ring" stehen könnte.