Mutter & Tochter untergetaucht

Fall Sofia: Jetzt droht EU-Haftbefehl

25.07.2013


Der Sorgerechtsstreit um Sofia (6) dürfte bald die gesamte EU beschäftigen.

Zur Vollversion des Artikels
© TZ ÖSTERREICH
Zur Vollversion des Artikels

Es ist ein nicht enden wollender Albtraum: Doris Povse hat nicht nur kein Sorgerecht mehr für ihre sechsjährige Tochter Sofia, sondern dürfte bald auch noch per EU-Haftbefehl wegen Kindesentführung gesucht werden. Ihr Bild und das von Sofia könnte in jeder Polizeiinspektion in 28 Ländern der Europäischen Union hängen.

Mutter und Tochter sind seit Kurzem abgetaucht

Der Grund: Als Mittwoch acht Polizisten und Gerichtsvollzieher die kleine Sofia aus der Wohnung in St. Veit/Triesting abholen wollten, waren Mama und Tochter nicht daheim, sondern bereits „auf Urlaub“. Povses Anwältin Astrid Wagner verteidigt sie: „Wir wussten nichts von diesem Termin.“ Nicht einmal Wagner weiß, wo sich die beiden verstecken, geschweige denn die Behörden, die das Urteil nicht vollstrecken können. Denn die Obsorge für Sofia liegt beim Vater Mauro A. aus Italien, den die Kleine fünf Jahre nicht gesehen hat.

Leiblicher Vater könnte Haftstrafe erwirken
Der leibliche Vater könnte jetzt auch Anzeige gegen die Mutter erstatten. In diesem Fall verliert Doris Povse nicht nur ihre Tochter für immer, ihr droht sogar eine Haftstrafe in Österreich – weil sie das Kind versteckt hält.

Es ist der traurige Showdown in einem jahrelangen Sorgerechtsstreit.

Seit fünf Jahren kämpft die gebürtige Steirerin gegen ihren italienischen Ex-Mann. Im Frühjahr entschied ein Richter am Bezirksgericht Wiener Neustadt, dass Sofia nicht länger bei ihrer Mama leben darf, sondern nach Italien zum Vater muss. Die Mutter kämpfte dagegen, aber verlor. Jetzt sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft.

Die Situation für Doris 
Povse scheint ausweglos
Povse könnte das Urteil nur noch persönlich in Italien anfechten, doch dort wurde sie wegen Kindesentführung verurteilt: Während Mauro A. nach italienischem Recht das Sorgerecht hatte, fuhr Doris Povse mit Sofia nach Österreich. Das nicht rechtskräftige Urteil: 15 Monate Haft und 40.000 Euro Strafe. Die Situation scheint ausweglos.

Anwältin: "Ich bin sehr enttäuscht von der Justizministerin"
ÖSTERREICH: Sofia und ihre Mama sind wohl auf der Flucht. Wissen Sie, wo sie sind?
Astrid Wagner: Mit der Mutter habe ich keinen Kontakt, aber zum Stiefvater von Sofia. Ich möchte betonen, dass meine Mandantin mit ihrer Tochter ganz normal auf Urlaub gefahren ist. Der Aufenthaltsort ist mir nicht bekannt. Der Urlaub hat nichts mit dem Rückführungstermin von Sofia zu tun. Davon wussten wir ja überhaupt nichts.

ÖSTERREICH: Was droht der Mutter, wenn sie weiter mit Sofia verschwunden bleibt?
Wagner: Dann kann es sein, dass ihr ein EU-Haftbefehl droht.

ÖSTERREICH: Sie haben sich sogar mit einem Brief an die Justizministerin Beatrix Karl gewandt und sie um Hilfe gebeten. Gab es darauf eine Antwort?
Wagner: Die habe ich am Mittwoch erhalten. Ich bin enttäuscht von der Ministerin. Ich hätte mir gewünscht, dass sie etwas tut.

Mutter: "Sofia wacht nachts auf, hat fürchterliche Ängste"
ÖSTERREICH sprach mit Sofias Mama vor dem Urlaub.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihrer Tochter Sofia?
Doris Povse: Sie bekommt das alles mit und das belastet sie sehr. Sofia wacht nachts mehrmals schweißgebadet auf, sie hat fürchterliche Ängste. Noch versuche ich, stark zu sein. Aber wenn man mir mein Kind wegnimmt, dann ist für mich alles vorbei.

ÖSTERREICH: Inwiefern unterstützt Sie die österreichische Justiz?
Povse: Leider gar nicht. Mir wird nur gesagt, dass italienisches Recht gilt. Dass Sofia nicht zu ihrem Vater will und aus dem sozialen Umfeld gerissen wird, ist allen egal.

Ministerin schrieb Brief: Der Wortlaut

Die Justizministerin erteilt Sofia eine Absage: Sie könne nicht helfen, heißt es im Brief.

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) war die personifizierte letzte Hoffnung für Sofia und die Familie Povse. Alle juristischen Mittel in dem komplexen Sorgerechtsstreit waren längst ausgeschöpft, als sich Anwältin Astrid Wagner vergangene Woche direkt an die Ministerin wandte. In einem langen Brief bat sie um die Hilfe von Karl und appellierte an ihre Menschlichkeit und an sie als Frau.

Justizministerin verweist auf italienische Gerichte
Jetzt hat die Ministerin geantwortet, doch helfen kann sie nicht – behauptet sie jedenfalls. „So sehr Ihre Bitte aus menschlicher Sicht zu verstehen ist, kann die Justizverwaltung nicht die vorliegenden höchstgerichtlichen Entscheidungen sozusagen überstimmen“, heißt es in den eineinhalb Seiten (siehe Faksimile rechts) kurz und knapp. Karl bezieht sich auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), die entschieden haben, dass sich Povse an italienische Gerichte wenden muss.

Anwältin: „Beatrix Karl hätte vermitteln können“
Für Wagner ist das eine bittere Enttäuschung: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Ministerin aktiv wird und Ihre Stimme erhebt. Sie hätte vermitteln können oder auf politischer Ebene etwas unternehmen können.“ So wurde die Familie Povse auch ihrer letzten Hoffnung beraubt.

(abs, prj)



 
Zur Vollversion des Artikels