Prozess in Wels

Fatale Hausgeburt: Sechs Monate bedingt für Mutter

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Die Oberösterreicherin hatte trotz Warnungen der Ärzte Baby allein daheim zur Welt gebracht  

Nach einer fatalen Alleingeburt daheim ist eine 38-Jährige am Freitag in Wels wegen grob fahrlässiger Körperverletzung zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Die Angeklagte soll alle Warnungen der Ärzte wegen Schwangerschaftskomplikationen ignoriert und ihr viertes Kind ohne Hilfe zu Hause geboren haben. Es kam zu einer Sauerstoffunterversorgung des Babys, die körperliche und geistige Defizite nach sich zog. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Richterin erklärte von der ursprünglichen Anklage des Vorsatzes auf grobe Fahrlässigkeit umgeschwenkt zu haben. Man müsse der Frau vorwerfen, dass sie die Bedenken und den dringenden Rat der Ärzte nicht habe hören wollen. Auf Revers verließ sie am 3. August das Spital. Von einer Geldstrafe wurde abgesehen, "da jeder Cent in die Therapie des Kindes" gehen solle, meinte die Richterin.

"Fehlverhalten"

Die Staatsanwältin hatte von einem "Fehlverhalten" gesprochen, das die kleine Tochter mit ihrer Gesundheit teuer habe bezahlen müssen. Daher bat sie "im Namen der Kleinen um Gerechtigkeit" und um einen Schuldspruch. Die Angeklagte habe nicht einmal nach der Geburt die Rettung geholt, laut Gutachter hätte eine Verkürzung der Rettungskette die Chancen zur Minimierung von Dauerschäden erhöht.

Im Zweifel für die Angeklagte beantragte der Verteidiger hingegen einen Freispruch. Dass bei der Einleitung einer Geburt mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" alles gut gegangen wäre, bestätige nicht einmal das medizinische Gutachten und dies könne auch "niemand sagen". Seine Mandantin habe zudem "niemals vorgehabt, das Mädchen allein daheim zur Welt zu bringen", betonte er. Weiters verwies der Verteidiger auf "alle notwendigen unterfertigten Einwilligungserklärungen" für eine Geburt im Krankenhaus inklusive der Zustimmung eines Kaiserschnitts vom Juli 2023, nachdem eine Beckenendlage des Ungeborenen diagnostiziert worden war.

Risikoschwangerschaft  

Am 3. August war die Hochschwangere zu einem neuerlichen Kontrolltermin ins Spital gekommen. Nach einer zweiten Wendung des Kindes zwei Tage zuvor lag dieses noch immer richtig. Dennoch sei ihr wieder geraten worden, die Geburt nun einleiten zu lassen. Allerdings habe es "keine Absolutindikation gegeben", führte der Verteidiger an. Es sei ein Rat gewesen. Aber die Schwangere wollte heim, um erst noch ihre anderen kleinen Kinder unterzubringen, weshalb sie einen Revers unterschrieb. Am 8. August habe sie im Spital entbinden wollen, sagte auch die Angeklagte.

Dennoch habe die Frau trotz "Risikoschwangerschaft und über dem errechneten Geburtstermin" nach dem Revers nichts Entsprechendes in die Wege geleitet, hielt die Staatsanwältin dagegen. Laut Anklage habe sie nach zwei bereits gut gegangenen Geburten daheim ein drittes Mal auf diese Weise entbinden wollen. Wieder habe sie auf jegliche ärztliche Hilfe und eine Hebamme verzichtet, obwohl ihr im Spital "explizit" dringend davon abgeraten worden war, so der Vorwurf.

Am 6. August habe die Hochschwangere ihr Badezimmer zum Kreißsaal umfunktioniert. Um 16.00 Uhr sei es dann zur Geburt gekommen. Nachdem das Mädchen nicht atmete, verständigte sie ihren Ex-Lebensgefährten - den Vater des Babys. Der Mann alarmierte die Rettung und eilte auch selbst mit einem Bekannten zu seiner Ex-Partnerin. Das Baby habe bereits eine blau-graue Gesichtsfarbe gehabt, die Angeklagte habe dennoch gemeint, es sei alles in Ordnung, das Kind habe einen Puls.

Jener Bekannte erinnerte sich an Gespräche mit dem Ex-Partner der Angeklagten, wonach dieser beklagt habe, dass die Frau sehr wohl bewusst daheim entbinden wolle, weil das "Krankenhaus macht es eh nicht richtig". Als die beiden Männer direkt nach der Geburt zur Wohnung der Frau kamen, seien sie von ihr mit dem reglosen Neugeborenen im Arm empfangen worden. Sie sei "völlig fertig" gewesen, sagte der Zeuge.

Die 38-Jährige erklärte sich nicht schuldig. Es sei zu einer traumatischen Sturzgeburt nach einem Blasensprung gekommen. Sie sei geschockt gewesen, als sie bemerkt habe, dass sich ihr Mädchen nicht bewege. Sie erinnere sich nur noch daran, dass das Kind nicht mit dem Kopf zuerst zur Welt gekommen sei und es sich damit erneut in die problematische Beckenendlage gedreht hatte.

Ausgeprägte neurologische Veränderung 

Als Zeuginnen geladene Freundinnen hatten in dem zweitägigen Prozess mit ihren Aussagen die Angeklagte entlastet. Sie berichteten davon, dass die Frau ihnen unabhängig voneinander erzählt habe, dass sie im Spital entbinden werde.

Laut medizinischem Gutachten wurde bei dem Kind eine "ausgeprägte neurologische Veränderung" attestiert, wie man sie bei einer Sauerstoffunterversorgung beobachte. Nach der Geburt sei es zu Funktionsstörungen mehrerer Organe gekommen. In Summe weise das Mädchen "schwerste Defizite" im motorischen, kognitiven und sozialen Bereich auf.

Die Verteidigung kündigte Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung an. Auch die Staatsanwaltschaft will gegen die Strafe berufen. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.

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