Trotz 1,9 Promille

Freispruch für den Todes-Lenker

03.05.2011


Das Oberlandesgericht entschied im Zweifel für den Angeklagten.

Zur Vollversion des Artikels
© TZ ÖSTERREICH / Schwarzl
Zur Vollversion des Artikels

Wie viel kann ein Mensch ertragen? Den Sohn, die große Liebe verlieren – nur, um zu erleben, wie der Schuldige freigesprochen wird? Österreich fühlt derzeit mit zwei Familien in Feldkirchen (OÖ) – und dem tragischen Los ihrer Kinder, Julian Augendopler (19) und seiner Verena (17).

Innerhalb von Sekunden hatte das Schicksal dem Mädchen die Jugend und die große Liebe genommen – und Julian das Leben. Blutüberströmt starb der Maturant am 13. Juni am Wiesenrand in ihren Armen. Ein Ford hatte das Paar am Heimweg von einer Party niedergemäht. Am Steuer: ein Freund. Sebastian F. (20) war auch auf der Feier gewesen, war mit 1,88 Promille losgefahren. „Er war mit meinem Sohn schon im Kindergarten“, so Vater Franz Augendopler.

In einem bewegenden Prozess am Landesgericht Linz wurde Sebastian F. ­angeklagt. Er blieb ungerührt. „Ich kann es nicht mehr rückgängig machen, es war ein tragischer Unfall.“ Julian sei ihm vor das Auto gelaufen.

Doch Verena beteuert bis heute: „Er war nah bei mir, wir hatten die Arme um uns gelegt.“ Schließlich hatten sie sich gerade wieder versöhnt, drei Wochen Trennung hinter sich. Jetzt wussten sie: Sie gehören zusammen. „Sie sprachen von gemeinsamer Wohnung.“ Doch alle Zukunftspläne endeten an diesem Straßenrand. „Ich will Gerechtigkeit, keine Rache“, so Verena damals.

Hobby des Angeklagten: „Trinken bis zum Umfallen“

Zuerst sah es danach aus. Vor Gericht machte Sebastian F. kein gutes Bild: Mitglied im „Trinkverein“, „Saufen bis zum Umfallen“ als Hobby auf Facebook, Zeugen, die Sebastian absolut fahruntauglich auf der Party gesehen hatten. „Zudem sprach das Gutachten klar von zu später Reak­tion“, sagt Anwalt Fuchs.
Das Urteil: vier Monate Haft, acht Monate auf drei Jahre bedingt. „Wir dachten, wir könnten nun abschließen“, so Vater Augendopler.

OLG: „Im Zweifel für 
den Angeklagten“
Jetzt der Paukenschlag: Das Oberlandesgericht verhandelte neu, „ohne unser Wissen, im stillen Kämmerlein“, so der Vater des Opfers. Das Ergebnis: Freispruch. „Es ist ein tragischer Fall, die Aussagen des Mädchens sind glaubwürdig“, heißt es aus dem OLG. Doch einige Spuren sind mehrdeutig.

Und als der Gutachter beim Prozess nicht wagt, zu entscheiden, ob der Angeklagte zu spät reagiert hat oder nicht, blieb nur noch: „Im Zweifel für den Angeklagten.“
Der Schock sitzt tief. Doch Julians Vater und Verena sind sich einig: So darf es nicht enden. Für eine Wiederaufnahme braucht es neue Beweise. „Die werden wir finden, es gibt massive Ermittlungslücken“, so Fuchs. „Wir geben nicht auf“, so Vater Augendopler. „Das bin ich Julian schuldig.“

Zur Vollversion des Artikels