Nach dem Gefängnis wartet die Psychiatrie auf den Inzestvater.
Die Frage der Woche ist spannend, sie wird das Land bis zum Urteil am Freitag in Atem halten: Wie wird Josef Fritzl für sein Jahrhundertverbrechen bestraft? Das Strafgesetzbuch (StGB) macht drei Antworten möglich, weil Staatsanwältin Christiane Burkheiser dem 73-Jährigen mehrere Delikte anlastet.
Beweisfrage
Der wuchtigste Anklagepunkt ist Mord (§ 75 StGB).
Befinden die acht Geschworenen, dass der Horror-Vater seinen neugeborenen
Sohn M. am 1. Mai 1996 vorsätzlich getötet hat, indem er dem schwer kranken
Säugling im Verlies ärztliche Hilfe verweigerte, lautet das Urteil:
lebenslange Haft. Der Gruselgreis auf der Anklagebank wird sich zum
Mordvorwurf „nicht schuldig“ bekennen. Und es wird nicht leicht sein, ihm
die Tat so viele Jahre nach dem Tod des Babys nachzuweisen, zumal Fritzl den
kleinen Leichnam verbrannt hat.
Freispruch im Zweifel
Bleibt als zweithöchste Strafdrohung: 20
Jahre dafür, dass er seine Tochter E. von 1984 bis 2008 „in eine
sklavenähnliche Lage“ gebracht hat. Das Vergehen heißt
„Sklavenhandel“ (§104) und wurde in Österreich bisher noch nie verhandelt.
Deshalb befürchtet nicht nur der Wiener Jurist Raoul Wagner, „dass der
Paragraf vielleicht nicht voll zum Tatbild passt.“ Sprich: Wenn es mit dem
Teufel zugeht, könnte der Inzest-Vater wieder – im Zweifel – freigesprochen
werden.
Weihnachten 2016 frei
Hochwahrscheinlich sind nur 15 Jahre Kerker
als Buße für die Wahnsinnstaten, zu denen sich Fritzl bekannt
(Vergewaltigung mit Kindesfolge, Freiheitsentziehung, schwere Nötigung,
Blutschande). Weil aber nach dem Haftentlassungsgesetz jeder Gefangene bei
guter Führung Anspruch darauf hat, schon nach halber Strafzeit freizukommen,
wäre das „Monster“ (Buchtitel über Fritzl) – unter Anrechnung der U-Haft –
bereits zu Weihnachten 2016 wieder daheim.
Sicher lebenslang
Beruhigend angesichts solcher Theorien: In der
Praxis kommt Fritzl nie mehr frei. Denn auf Grund seines psychiatrischen
Gutachtens fordert die Staatsanwältin, den Angeklagten (nach §21) in eine
Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuliefern. Kaum zu
glauben, dass auch nur ein Geschworener dagegen stimmen wird. Und in die
Anstalt geht es VOR der Haftstrafe. Um je wieder rauszukommen, muss Fritzl
ein Expertengremium davon überzeugen, dass von ihm sicher keine Gefahr mehr
ausgeht. Und das wird ihm in diesem Leben nicht mehr gelingen.
Schloss statt Zelle
Trost für den Horror-Vater: Er kommt in die
Anstalt Göllersdorf, die in einem Renaissanceschloss im Weinviertel
eingerichtet wurde. Leiterin Karin Gruber legt Wert darauf, dass ihre
Delinquenten „untergebracht, nicht eingesperrt sind.“ Hinter vier Meter
hohem Stacheldraht gibt es eine Vielzahl von Therapien, ein „Patientencafe“
und sogar Keramikkurse.
„Kannibale von Wien“
Übel allerdings der Umgang: 1996
geschah im Psycho-Knast ein Mord. Der wirre Häftling Franz St. rammte der
Therapeutin ohne Vorwarnung und Anlass ein Messer ins Herz. Von den 140
Insassen ist jeder zweite ein Gewalttäter oder Sexverbrecher. Einer freut
sich, Gerüchten zufolge, schon auf Fritzl. Er hat als „Kannibale von Wien“
Schlagzeilen gemacht.