Briefe aus dem Gefängnis
Fritzl will jetzt die Scheidung
14.11.2010
In Briefen an seine Schwägerin attackiert das Keller-Monster seine Opfer.
Starke Zeilen
Für Häftlinge ist jeder Brief ein Stern, der einen Namen trägt. Denn wer noch Post bekommt, ist in der Welt draußen nicht ganz abgeschrieben.
Keller-Monster Josef Fritzl hat im Juni 2009 seine lebenslange Strafe angetreten. Seither ist der 75-Jährige Adressat unter „Justizanstalt Stein, Sonderabteilung für geistig abnorme Rechtsbrecher“.
Überraschung
Doch Fritzl ist bei der Postverteilung lange leer ausgegangen. Die Opfer wollen vom verurteilten Inzest-Vater, Mörder und Sklavenhalter nichts mehr wissen. Heuer am 1. Oktober dann die Ausnahme und Überraschung: Schwägerin Christine Ranner schrieb „Sepp“ einen Brief.
Im Gespräch mit ÖSTERREICH erklärt die 57-jährige Linzerin, Schwester von Fritzls Ehefrau, ihr Motiv: „Er hat mir vor 29 Jahren in einer Notlage als Einziger geholfen. Ich war allein erziehende Mutter und brauchte dringend 1.500 Schilling. Er borgte mir das Geld und hat mir dann zu Weihnachten sogar die Schulden erlassen. Das habe ich ihm nie vergessen.“ Als späten Dank dafür bot Christine ihrem inhaftierten Verwandten jetzt Zuwendung an: „Ich möchte dir ein Weihnachtspaket schicken“, ließ sie ihn wissen: „Schreibe mir, was du brauchst.“
Post aus Stein
Die Antwort aus Stein kam nach drei Wochen. Fritzl dankte der „sehr geehrten Schwägerin“ für ihren guten Willen, aber leider sei die Annahme von Paketen verboten. Aber „einen anderen Wunsch“ habe er schon:
Es wäre mir ein großes Anliegen, wenn Du mit Deiner Schwester reden würdest, ob sie gewillt ist, mit mir zu sprechen. Ich habe ihr insgesamt 8 Briefe geschrieben und ich habe sie 4 mal gebeten, die Scheidung von mir zu veranlassen. Sie hat mir nicht geantwortet.
Kalte Schulter
Die kalte Schulter macht dem einstigen Haustyrannen so zu schaffen, dass er vollends den Verstand verliert. Denn zwei Sätze später schmäht er seine gemarterten Opfer:
Finanziell geht es mir gut, da ich hier arbeite und mich meine Freunde unterstützen. Also ich bin nicht alleine, nicht alle lassen mich fallen und im Stich. Schade, dass die Familie anders denkt. Ich akzeptiere dies, aber wenn schon, dann eine endgültige Trennung, damit ich weiß, wo ich stehe.
Denkbar freilich auch, dass der Greis im Maßnahmenvollzug Hammer-Medikamente bekommt. Indiz der Verwirrung: Er unterschreibt den Brief an die Schwägerin mit dem Familiennamen: Gruß Fritzl.
Gute Fragen
Am 26. Oktober setzt Ranner die Korrespondenz fort: Aus Rücksicht auf meine Schwester wäre es gut, einmal mit mir vorlieb zu nehmen. Ich bin bereit, dich zu besuchen und wir müssen auch nicht über das Geschehene sprechen. Jedoch eine Frage stelle ich mir immer wieder: „Tut es Ihm leid, hat er Gefühle?“
Frost
Diesmal schreibt Fritzl schon drei Tage später zurück und signiert freundlich: Mit herzlichen Grüßen Sepp. Dafür macht die Selbstgefälligkeit im Tonfall frösteln:
Die Frage über „Leid tun“ und „Gefühle“ kann man nur jenen beantworten, die unmittelbar betroffen sind … Ich bin 55 Jahre mit Deiner Schwester verheiratet … und habe immer versucht mich weiterzuentwickeln um allen Familienmitgliedern die finanziellen Möglichkeiten zu bieten, damit sie nicht den beschwerlichen Weg gehen mußten wie ich. Was hier passiert ist, war nicht vorgesehen und nicht gewollt. Die Schuld muss ich allein tragen … Ich halte mich lieber an Fremde, die zu mir mehr Vertrauen haben, als die ganze Familie! … Zur Beruhigung möchte ich Dir mitteilen, dass diese Kontaktaufnahme hauptsächlich wegen Deiner Schwester stattfindet. Sie wird es Dir einmal danken.
Abbruch.
Empört bricht Christine Ranner daraufhin den Briefverkehr am 8. November mit einer letzten Mitteilung ab:
Ich werde meine Schwester, deren gequälte Seele und Körper sich langsam erholt haben, sicher nicht drangsalieren, mit Dir Kontakt aufzunehmen. Ihr werdet euch nicht mehr wiedersehen. Nimm das zur Kenntnis und denke nicht immer nur an Dich!
ÖSTERREICH lässt sie zwei Tage später wissen: „Wenn meine Schwester in die Scheidung einwilligt, ist das Sepps letzter Triumph. Denn dann fällt sie nach 55 Jahren Martyrium auch noch um die Witwenpension um.“