Verzweiflungstat, weil lebenslang drohte
Gefährlichster Bankräuber tot in Wien in U-Haft-Zelle
20.07.2023Weil ihm lebenslang und sogar der Maßnahmenvollzug drohte, setzte ein 36-jähriger Wiener seinem Leben in der Josefstadt ein Ende. Er wurde tot in der Zelle aufgefunden.
Seit Mitte April saß der einschlägig verurteilte Ex-Knacki, der als Serienräuber seit Jahren in Erscheinung getreten sein soll, um sich mit der Beute nach Costa Rica abzusetzen (wo er mit einer Einheimischen ein Hotel eröffnen wollte), in Wien in U-Haft. Wie ÖSTERREICH aufdeckte, war er nach einem mutmaßlichen Coup auf Geldtransporteure in einer Bank in Favoriten als Verdächtiger ausgeforscht worden. Weil er unerwartet auf heftige Gegenwehr gestoßen war, soll er zwei Schüsse aus einer Maschinenpistole abgegeben haben und nahm in der Hektik nur eine Geldkassette mit wenigen tausend Euro mit, obwohl in den Geldkoffern eine Million zu holen gewesen wäre.
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Schussopfer Julia L.
Über Spuren vor Ort, die der Notstandshilfeempfänger zurückgelassen hatte, konnte der 36-Jährige, der wieder bzw. noch bei seiner Mutter wohnte, geschnappt werden. Die Maschinenpistole und eine schusssichere Weste wurden in einem Versteck in einem Hohlraum über dem Lift im Haus gefunden. Das ist aus Polizeikreisen so bestätigt worden.
Bankraub 2018 am Wiedner Gürtel.
Angelastet wurden dem Verhafteten überdies eine ganze Reihe von Überfällen auf die Filialen einer türkischen Bank in Linz und Wien, wo er mit den originellsten Verkleidungen meist auf einem E-Roller dahergekommen sein soll, sehr oft trug er eine Latex-Maske, manchmal Brille, einmal schritt er als Muslimin im Hijab zur Tat. Insgesamt soll S. in den vergangenen Jahren bis zu 800.000 Euro erbeutet haben.
Als Muslimin verkleideter Täter Juli 2018 in Linz.
Der Serien-Verdächtige soll aber auch durch seine Kaltblütigkeit geglänzt und sich schon zwei Mal den Fluchtweg freigeballert haben. So erlitt ein Security, der sich dem Flüchtenden in den Weg stellte, einen Schuss in den Oberschenkel. Noch schlimmer: Der Mittdreißiger, der noch nie einer geregelten Arbeit nachgegangen ist, steht im Verdacht, jener schießwütige Bankräuber sein, der zu Beginn der Corona-Pandemie mit Corona-Maske in eine Bawag am Rennbahnweg stürmte und auf Kundin Julia L. (58), die in Panik geraten war, feuerte. Die Mandantin von Anwältin Astrid Wagner erlitt einen Leberdurchschuss und wäre fast daran gestorben.
Dezember 2018: Von Rad aus auf Security gefeuert.
Vor allem letzterer Fall war der Knackpunkt in der Karriere des Südamerika-Fans, der sich deswegen mit einer Mordanklage konfrontiert sah, die ihn möglicherweise lebenslänglich hinter Gitter gebracht hätte. Ein Top-Anwalt hatte sich zuletzt sehr um S. gekümmert, wie man hört, stritt er mehrere Coups kategorisch ab - und war laut Freunden in Panik, dass die Ermittler ihm noch jeden nicht geklärten Bankraub der letzten Jahre in die Schuhe schieben würden. Völlig entmutigt beging er diese Woche in U-Haft Suizid. Und hinterließ insgesamt 17 Abschiedsbriefe an seine Familie, Freunde, aber auch an die Polizei, die ihm insgesamt 9 Raubdelikte seit 2017 vorwerfen. Aufgrund des Ablebens des Tatverdächtigen müssen die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft per Gesetz aber eingestellt werden. Die Unschuldsvermutung gilt somit in diesem Fall auch über den Tod hinaus.
Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. Infos für Jugendliche gibt es unter www.bittelebe.at)
(kor)