Der größten Streik in der Geschichte der Lufthansa beginnt. Auch die AUA-Piloten diskutieren, ob sie die Arbeit niederlegen wollen.
Bei der Lufthansa streiken die Piloten. Der Ausstand begann wie angekündigt um Mitternacht, wie das Unternehmen mitteilte. Für diesen Montag musste die Lufthansa nach eigener Auskunft 40 bis 50 Prozent der Flüge streichen. "Von 1.800 Flügen dürften maximal 1.000 Flüge stattfinden", sagte ein Konzernsprecher. Es gilt ein Sonderflugplan. Die Bahn stellt zusätzliche Züge bereit, Lufthansa-Allianzpartner sollten ihr Angebot erweitern. Anzeichen für eine Annäherung der Streitparteien gab es nach Worten des Konzernsprechers zunächst nicht. Beide Seiten werfen sich gegenseitig mangelndes Entgegenkommen vor. Die Piloten halten weitere Streiks für denkbar.
Verantwortung trägt Gewerkschaft
Nach Streikbeginn schlug
das Lufthansa-Management scharfe Töne an. "Die Verantwortung für
sämtliche Auswirkungen - auf die Kunden, die Zukunft des Unternehmens und
auf den Wirtschaftsstandort Deutschland - trägt einzig und allein die
Gewerkschaft", sagte der Firmensprecher im Deutschlandfunk. Die
Lufthansa ist die größte Fluggesellschaft Europas und seit September Mutter
der Austrian Airlines (AUA).
Einstweilige Verfügung eingereicht
Die Lufthansa will nun
sogar gerichtlich gegen den Streik der Piloten vorgehen. Beim Arbeitsgericht
Frankfurt sei ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung eingereicht worden,
sagte Lufthansa-Sprecher Andreas Bartels. Der Streik sei unverhältnismäßig.
Lufthansa sei verpflichtet, Schaden von Unternehmen, Mitarbeitern und
Aktionären abzuwenden.
Im Tarifkonflikt war am Wochenende keine Einigung erzielt worden, obwohl sich der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) als Vermittler eingeschaltet hatte. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hat gut 4.000 Piloten aufgerufen, für vier Tage ihre Arbeit ruhen zu lassen. Dies wäre der längste Pilotenstreik der Lufthansa-Geschichte. "Das ist das Dramatischste im deutschen Luftverkehr, was wir je erlebt haben", sagte der Konzernsprecher am Morgen im Deutschlandfunk.
Keine Kompromissbereitschaft
Der Konzern bietet den Piloten eine
Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2012 an, will sich aber nicht darauf
einlassen, deutsches Tarifrecht auch für Unternehmensteile im Ausland
durchzusetzen. Genau darauf pocht die Gewerkschaft. Sie befürchtet einen
sukzessiven Abbau der hoch bezahlten Lufthansa-Piloten und die Verlagerung
von Arbeitsplätzen.
Die Lufthansa warf VC vor, in dem entscheidenden Verhandlungspunkt weiter keine Kompromissbereitschaft erkennen zu lassen. Es gebe keinerlei Signale dafür, dass die Gewerkschaft von ihrer Forderung abrücke, den Lufthansa-Tarifvertrag auch auf Piloten ausländischer Konzerntöchter auszuweiten. Das Management sieht darin einen juristisch unzulässigen Eingriff in seine Entscheidungsbefugnisse. "Das ist nicht verhandelbar", betonte der Sprecher.
Streik bis Donnerstag
VC hatte dagegen in einer Presseerklärung
am Sonntagabend einen Kompromissvorschlag genannt. Demzufolge soll der
Disput in dem zentralen Streitpunkt ausgesetzt werden, bis dieser
höchstrichterlich geklärt ist. Zugleich solle die Lufthansa bis dahin keine
Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Dieses Angebot habe die
Lufthansa-Führung bisher nicht aufgegriffen.
"Wir haben in den letzten Stunden keinen direkten Kontakt gehabt", sagte der Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit, Jörg Handwerg, am Montagmorgen in Frankfurt. Nach derzeitigem Stand werde der Streik daher wie geplant bis Donnerstag fortgesetzt.
Zwei Drittel der Flüge fallen aus
Damit dürften binnen vier
Tagen rund 3.200 Flüge ausfallen. "Offenbar reicht der Lufthansa
der Druck von vier Tagen Streik noch immer nicht", so ein
Cockpit-Sprecher. "Wir bluffen nicht." Cockpit sei
gesprächsbereit. Sollte es am Ende des aktuellen Streiks aber weiter keine
Gespräche geben, seien neue Streiks denkbar. "Wir können das im
Wochenrhythmus wiederholen."
Cockpit hatte um Mitternacht begonnen, große Teile des Lufthansa-Flugverkehrs lahmzulegen. An den größten deutschen Flughäfen in Frankfurt, Düsseldorf, München, Berlin und Hamburg fielen schon am Montagmorgen zahlreiche Flüge aus. Etwa 800 Flüge werden nach Einschätzung der Lufthansa über den Tag ausfallen. Das wären etwa zwei Drittel der Flüge, die von der Gewerkschaft bestreikt werden können. Das restliche Drittel der Flieger soll abheben. Beim Billigflieger Germanwings sollen rund zwei Drittel der Flüge trotz des Streiks stattfinden.
Passagiere gut vorbereitet
Der Streik wurde für die meisten
Reisenden und Mitarbeiter im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens schon
fast zur Routine. "Ich wusste ja, dass sie streiken", sagt Rentner
Manfred Pleger, der am Montagmorgen nach Lissabon unterwegs ist. "Da
habe ich gleich eine andere Gesellschaft gebucht."
Michael Peine, mit der Nachtmaschine aus Boston gelandet, berichtet: "Ich bin extra einen Tag früher zurückgeflogen." Nun schaut er aus Neugier auf der Abflugebene des größten deutschen Flughafens vorbei, "um zu sehen, was überhaupt noch geht".
Chaos bleibt in Wien aus
Auch am Flughafen Wien-Schwechat ist ein
Chaos zumindest am Montagvormittag ausgeblieben. Der Betrieb wurde laut
Sprecher Peter Kleemann "wie an einem gewöhnlichen Montag" abgewickelt.
"Es gib kein Passagierchaos oder einen Passagierstau", betonte er am Vormittag. "Bei uns läuft der Betrieb plangemäß, es gibt keine besonderen Vorkehrungen." Die Lufthansa hat am ersten von vier angekündigten Streiktagen elf von 24 Wien-Verbindungen gestrichen.
Auch AUA-Piloten diskutieren Streik
Im Gefolge ihrer Kollegen
bei der Lufthansa machen auch die AUA-Piloten Druck. Für Mittwoch ist eine
Betriebsversammlung angesetzt – der Flugbetrieb werde dadurch aber nicht
beeinträchtigt.
Konkret geht es um die 250 AUA-Kopiloten, die nun Kündigungsschutz wollen. Daran knüpft der Betriebsrat die Unterschrift unter das im Prinzip ausgehandelte Paket, das in den nächsten 5 Jahren 150 Mio. Euro Personalkosten einsparen soll.
Kurzarbeit bei Tyrolean?
Hintergrund des Aufbegehrens der
AUA-Kopiloten ist nicht zuletzt Eifersucht auf ihre Tyrolean-Kollegen. Diese
haben kürzlich einen Solidarpakt geschlossen, um die im Zuge der
Flottenbereinigung eigentlich geplanten 60 Kündigungen zu verhindern.
Stattdessen soll es bei Tyrolean jetzt Kurzarbeit geben, die 2011 in
Teilzeitarbeit übergeht. Während der Kurzarbeit hätten die Tyrolean-Kollegen
Kündigungsschutz, heißt es bei den AUA-Kopiloten.
Die Kurzarbeit kann allerdings jederzeit beendet werden. Und: Während bei der AUA insbesondere am Boden jetzt viele Jobs abgebaut werden müssen, ist das im Cockpit in größerem Stil nicht geplant.