Der Wiener Staranwalt Georg Zanger rechnet mit guten Chancen für die Kläger, weil viel zu wenig beim Hochwasserschutz getan worden sei.
Auch eine Woche nach den ersten Überschwemmungen sorgen starke Regenfälle weiter für eine gefährliche Hochwassersituation in Österreich. Der Schaden erreicht eine Milliarde Euro. Staranwalt Georg Zanger rät Betroffenen nun zur Klage gegen die Republik: „Es ist seit 2002 viel zu wenig beim Hochwasserschutz geschehen, deshalb halte ich die Chancen für groß, dass die Republik Ersatz leisten muss“, so Zanger im ÖSTERREICH-Interview.
Damm nach 7 Jahren nicht fertig
Opfer des aktuellen Hochwassers
klagen, dass in den vergangenen Jahren zu wenig in Sachen Hochwasserschutz
getan wurde. Dramatischstes Beispiel: In Weißenkirchen in der Wachau wurde
nach dem Jahrtausendhochwasser 2002 angekündigt, dass ein Damm nach Vorbild
von Stein errichtet werden sollte – doch auch sieben Jahre danach ist dieser
Damm noch nicht fertig, die Schäden in Weißenkirchen durch das aktuelle
Hochwaser sind enorm.
Hänge rutschen ab
Und die Situation in vielen Gemeinden
spitzt sich weiter zu. Die völlig durchnässten Böden können derzeit kaum
noch Niederschläge aufnehmen, vielerorts kommt es jetzt zu Hangrutschungen. Allein
im steirischen Feldbach wurden bereits am Sonntag 400 Rutschungen gezählt,
weitere 40 kamen am Montag dazu. Hunderte Hänge sind derzeit im Bezirk immer
noch in Bewegung, das Erdreich bis in mehrere Meter Tiefe völlig
aufgeweicht.
4-Sterne-Hotel evakuiert
Zahlreiche Häuser mussten evakuiert
werden, wie auch das 4-Sterne-Hotel „Schlosshotel“ in Bad Gleichenberg. „Rund
30 Gäste wurden in andere Zimmer verlegt, akute Gefahr hat aber für
niemanden bestanden“, erklärt Hotelchefin Elisabeth Kindl. 260 Soldaten des
Bundesheeres stellen seitdem Panzerigel im Bezirk auf, um weitere
Hangabrutschungen verhindern.
Güssing steht unter Wasser
Ebenfalls angespannt bleibt die
Situation im Burgenland: Zwar sind hier die Pegelstände leicht gesunken,
Entwarnung kann aber nicht gegeben werden. Erst am Montag trat die Strem im
Bezirk Güssing erneut über die Ufer, standen die Festwiese, der Sportplatz
und das Freibad Güssings unter Wasser. „Es ist furchtbar, es ist mit Abstand
die größte Hochwasserkatastrophe in der Geschichte der Stadt“, so
Bürgermeister Peter Vadasz gegenüber ÖSTERREICH.
Radmer von Außenwelt abgeschnitten
Gleich komplett von der
Außenwelt abgeschnitten war der obersteirische Ort Radmer: Bis zu einem
halben Meter hoch standen die Wassermassen im 700-Einwohner-Dorf, mehrere
Strommasten stürzten um. „Es ist das reinste Chaos. In der Nacht hat es
permanent geregnet, und die Helfer kommen nun nicht mehr zu uns durch“, so
Bürgermeister Siegfried Gallhofer im Gespräch mit ÖSTERREICH.
Abwarten in Steyr
Auch in Steyr ließen andauernde Regenfälle die
Pegel zu Mittag wieder bis auf 4,18 Meter steigen. „Es könnte wieder
gefährlich werden“, erklärte Gerhard Praxmarer, Kommandant der Freiwilligen
Feuerwehr.
In Niederösterreich stabilisierte sich die Hochwassersituation zwar etwas, Entwarnung kann aber auch hier noch lange nicht gegeben werden. Auch gestern waren nach heftigen Regenfällen weiter je 500 Mann der Feuerwehr und des Bundesheeres im Einsatz.
Niederschläge gehen weiter
Schuld an der Zuspitzung ist ein
Tief über dem Balkan, das auch in den kommenden Tagen heftigen Regen bringt:
„In den Hochwasserregionen ist weiter mit heftigen Niederschlägen zu
rechnen. In einer halben Stunde sind zwanzig Liter pro Quadratmeter
möglich“, so Christian Csekits von der ZAMG.
Das ganze Interview mit Rechtsanwalt Georg Zanger:
ÖSTERREICH: Sie raten Betroffenen der aktuellen Hochwasserkatastrophe, die Republik Österreich zu klagen. Warum?
Georg Zanger: Ich rate allen Betroffenen, zuerst einmal genau zu überprüfen, ob in den vergangenen Jahren ausreichende Schutzmaßnahmen gegen solche Überschwemmungen getroffen wurden. Ist seit 2002 zu wenig passiert, halte ich die Chancen für groß, dass man von der Republik Ersatz bekommt. Denn meiner Ansicht nach ist das derzeitige Hochwasser auf verabsäumte, wieder nicht durchgeführte Maßnahmen zurückzuführen und hätte verhindert werden können.
ÖSTERREICH: Nach 2002 haben Sie bereits zwei Musterprozesse gegen die Republik verloren. Was soll nun anders sein?
Georg Zanger: Damals hat mir der Oberste Gerichtshof zwar zugestimmt, dass laut Wasserrecht die Republik die Verantwortung für Schutzbauten trägt. Allerdings wurden die Klagen mit der Begründung abgewiesen, dass es sich 2002 um ein sogenanntes „Jahrtausendhochwasser“ gehandelt habe, man derartige Ausmaße nicht hätte voraussagen können. Das heurige ist allerdings bei weitem nicht so dramatisch. Man hätte wissen müssen, dass man auch gegen solche Wassermassen nicht ausreichend geschützt ist Mittlerweile sind sieben Jahre vergangen, getan wurde an vielen Orten aber immer noch nichts.
ÖSTERREICH: Was muss Ihrer Ansicht nun getan werden?
Georg Zanger: Es ist wichtig, nun rasch wie im Gesetz vorgesehen Wassergenossenschaften zwischen mehreren Gemeinden zu bilden, die ihre Hochwasserschutzmaßnahmen koordinieren. Zugleich müssen Gutachten eingeholt und dann auch berücksichtigt werden. Es kann ja nicht sein, dass Geld für Landesverteidigung und Eurofighter ausgegeben, aber beim Hochwasserschutz gespart wird. Denn hier geht es nicht nur um zerstörte Sachgüter, sondern auch um das Leben von Menschen.