ÖSTERREICH-Interview

Hochwasseropfer klagen Republik

29.06.2009

Der Wiener Staranwalt Georg Zanger rechnet mit guten Chancen für die Kläger, weil viel zu wenig beim Hochwasserschutz getan worden sei.

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Auch eine Woche nach den ersten Überschwemmungen sorgen starke Regenfälle weiter für eine gefährliche Hochwassersituation in Österreich. Der Schaden erreicht eine Milliarde Euro. Staranwalt Georg Zanger rät Betroffenen nun zur Klage gegen die Republik: „Es ist seit 2002 viel zu wenig beim Hochwasserschutz geschehen, deshalb halte ich die Chancen für groß, dass die Republik Ersatz leisten muss“, so Zanger im ÖSTERREICH-Interview.

Damm nach 7 Jahren nicht fertig
Opfer des aktuellen Hochwassers klagen, dass in den vergangenen Jahren zu wenig in Sachen Hochwasserschutz getan wurde. Dramatischstes Beispiel: In Weißenkirchen in der Wachau wurde nach dem Jahrtausendhochwasser 2002 angekündigt, dass ein Damm nach Vorbild von Stein errichtet werden sollte – doch auch sieben Jahre danach ist dieser Damm noch nicht fertig, die Schäden in Weißenkirchen durch das aktuelle Hochwaser sind enorm.

Hänge rutschen ab
Und die Situation in vielen Gemeinden spitzt sich weiter zu. Die völlig durchnässten Böden können derzeit kaum noch Niederschläge aufnehmen, vielerorts kommt es jetzt zu Hangrutschungen. Allein im steirischen Feldbach wurden bereits am Sonntag 400 Rutschungen gezählt, weitere 40 kamen am Montag dazu. Hunderte Hänge sind derzeit im Bezirk immer noch in Bewegung, das Erdreich bis in mehrere Meter Tiefe völlig aufgeweicht.

4-Sterne-Hotel evakuiert
Zahlreiche Häuser mussten evakuiert werden, wie auch das 4-Sterne-Hotel „Schlosshotel“ in Bad Gleichenberg. „Rund 30 Gäste wurden in andere Zimmer verlegt, akute Gefahr hat aber für niemanden bestanden“, erklärt Hotelchefin Elisabeth Kindl. 260 Soldaten des Bundesheeres stellen seitdem Panzerigel im Bezirk auf, um weitere Hangabrutschungen verhindern.

Güssing steht unter Wasser
Ebenfalls angespannt bleibt die Situation im Burgenland: Zwar sind hier die Pegelstände leicht gesunken, Entwarnung kann aber nicht gegeben werden. Erst am Montag trat die Strem im Bezirk Güssing erneut über die Ufer, standen die Festwiese, der Sportplatz und das Freibad Güssings unter Wasser. „Es ist furchtbar, es ist mit Abstand die größte Hochwasserkatastrophe in der Geschichte der Stadt“, so Bürgermeister Peter Vadasz gegenüber ÖSTERREICH.

Radmer von Außenwelt abgeschnitten
Gleich komplett von der Außenwelt abgeschnitten war der obersteirische Ort Radmer: Bis zu einem halben Meter hoch standen die Wassermassen im 700-Einwohner-Dorf, mehrere Strommasten stürzten um. „Es ist das reinste Chaos. In der Nacht hat es permanent geregnet, und die Helfer kommen nun nicht mehr zu uns durch“, so Bürgermeister Siegfried Gallhofer im Gespräch mit ÖSTERREICH.

Abwarten in Steyr
Auch in Steyr ließen andauernde Regenfälle die Pegel zu Mittag wieder bis auf 4,18 Meter steigen. „Es könnte wieder gefährlich werden“, erklärte Gerhard Praxmarer, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr.

In Niederösterreich stabilisierte sich die Hochwassersituation zwar etwas, Entwarnung kann aber auch hier noch lange nicht gegeben werden. Auch gestern waren nach heftigen Regenfällen weiter je 500 Mann der Feuerwehr und des Bundesheeres im Einsatz.

Niederschläge gehen weiter
Schuld an der Zuspitzung ist ein Tief über dem Balkan, das auch in den kommenden Tagen heftigen Regen bringt: „In den Hochwasserregionen ist weiter mit heftigen Niederschlägen zu rechnen. In einer halben Stunde sind zwanzig Liter pro Quadratmeter möglich“, so Christian Csekits von der ZAMG.

Das ganze Interview mit Rechtsanwalt Georg Zanger:

ÖSTERREICH: Sie raten Betroffenen der aktuellen Hochwasserkatastrophe, die Republik Österreich zu klagen. Warum?

Georg Zanger: Ich rate allen Betroffenen, zuerst einmal genau zu überprüfen, ob in den vergangenen Jahren ausreichende Schutzmaßnahmen gegen solche Überschwemmungen getroffen wurden. Ist seit 2002 zu wenig passiert, halte ich die Chancen für groß, dass man von der Republik Ersatz bekommt. Denn meiner Ansicht nach ist das derzeitige Hochwasser auf verabsäumte, wieder nicht durchgeführte Maßnahmen zurückzuführen und hätte verhindert werden können.

ÖSTERREICH: Nach 2002 haben Sie bereits zwei Musterprozesse gegen die Republik verloren. Was soll nun anders sein?

Georg Zanger: Damals hat mir der Oberste Gerichtshof zwar zugestimmt, dass laut Wasserrecht die Republik die Verantwortung für Schutzbauten trägt. Allerdings wurden die Klagen mit der Begründung abgewiesen, dass es sich 2002 um ein sogenanntes „Jahrtausendhochwasser“ gehandelt habe, man derartige Ausmaße nicht hätte voraussagen können. Das heurige ist allerdings bei weitem nicht so dramatisch. Man hätte wissen müssen, dass man auch gegen solche Wassermassen nicht ausreichend geschützt ist Mittlerweile sind sieben Jahre vergangen, getan wurde an vielen Orten aber immer noch nichts.

ÖSTERREICH: Was muss Ihrer Ansicht nun getan werden?

Georg Zanger: Es ist wichtig, nun rasch wie im Gesetz vorgesehen Wassergenossenschaften zwischen mehreren Gemeinden zu bilden, die ihre Hochwasserschutzmaßnahmen koordinieren. Zugleich müssen Gutachten eingeholt und dann auch berücksichtigt werden. Es kann ja nicht sein, dass Geld für Landesverteidigung und Eurofighter ausgegeben, aber beim Hochwasserschutz gespart wird. Denn hier geht es nicht nur um zerstörte Sachgüter, sondern auch um das Leben von Menschen.

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