Der Verein gegen Tierfabriken veröffentlichte ein schockierendes Video.
Ein unappetitliches Video offenbar aus einem steirischen Hühnermastbetrieb, das vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) veröffentlicht wurde, schockiert ganz Österreich. Wie der VGT in seiner Aussendung mitteilte, soll der Betrieb, aus dem die Aufnahmen des mitgeschickten Videos stammen sollen, mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet sein. Dennoch seien die Zustände nicht artgerecht. Die dort gezüchtete Rasse sei anfällig für Herz-Kreislauf-Krankheiten, plötzlichen Herztod, Infektionen, Verletzungen und Missbildungen. In dem Betrieb sei das zu sehen: "Hühner, die nicht mehr aufstehen können und gezwungen sind, in der mit Fäkalien getränkten Einstreu zu liegen. Sie können sich nicht mehr zu Futter und Wasser bewegen und erleiden schmerzhafte Entzündungen der Haut."
Besonders schockierend sei, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mit einem Laster durch den Stall fährt und dabei mehrere Hühner überfährt. "Einige sterben daran sofort, andere werden schwer verletzt zurückgelassen", so der Verein, der eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet habe. Denise Kubala vom VGT sei bestürzt: "Zu sehen, wie grausam diese meist ohnehin schon leidenden Tiere in den Mastbetrieben behandelt werden, ist kaum zu ertragen."
Schwere Vorwürfe gegen LIDL
Gemein haben alle bisher aufgedeckten Betriebe, dass sie mit Lieferanten des Discounters LIDL in Verbindung stehen. Der VGT spricht von einem "kaputten und unheimlich grausamen Systems der Hühnermast" und fordert den Diskonter auf, sich der Europäischen Masthuhn-Initiative anzuschließen, um so die Standards für die Hühnerhaltung und -zucht bei seinen Lieferanten zu verbessern.
Gleichzeitig ruft der VGT am Donnerstag zum Protest vor einer Lidl-Filiale in Wien Meidling auf. Die Kette verkaufe laut VGT immer noch Fleisch von schnell wachsenden Qualzuchthühnern, die teilweise bereits nach 29 Tagen geschlachtet werden, und oft schon nach kurzer Zeit nicht mehr gehen können
So reagiert die AMA
Das Video hat Dienstagvormittag offenbar auch die AMA erreicht: "Praktiken, die tierquälerisch und mit der Achtung des Nutztieres nicht vereinbar sind, sind inakzeptabel. Wir distanzieren uns von den Missständen umso mehr, als die AMA-Marketing klare Vorgaben erteilt, die verbindlich festlegen, was Betriebe und die dort Verantwortlichen leisten müssen, damit sich die von ihnen produzierten Rohstoffe für das Gütesiegel qualifizieren", so Geschäftsführer Michael Blass in einer Aussendung. "Bewahrheiten sich die Vorwürfe, so werden wir Verstöße wirksam sanktionieren, um die Konsumentinnen und Konsumenten und die Solidargemeinschaft der Gütesiegel-Betriebe zu schützen. Darüber hinaus sind nun auch die Behörden am Zug, um die Vorwürfe im gegenständlichen Fall zu prüfen."
Die AMA teilte mit, dass derzeit 560 Hendlmastbetriebe am AMA-Gütesiegel-Programm teilnehmen. Etwa 340 konventionelle Betriebe und rund 220 Biobetriebe. Die Vor-Ort-Kontrollen im Mastgeflügelbereich würden grundsätzlich jährlich risikobasiert durch eine akkreditierte Kontrollstelle stattfinden. Werden im Zuge der AMA-Kontrollen Verbesserungspotenziale aufgezeigt, erfolgen zusätzliche Nach- oder Überkontrollen, hieß es. Zusätzlich müssen alle AMA-Gütesiegelbetriebe verpflichtend am Geflügel-Tiergesundheitsdienst teilnehmen und jeder Betrieb habe einen Betreuungstierarzt, der jede Mastpartie bzw. jeden Mastdurchgang begutachtet.
Die AMA hielt aber auch fest, dass Österreich im europäischen Vergleich die höchsten Standards bei der Haltung von Geflügel habe. "Die nun aufgedeckten Missstände beweisen, wie wichtig die seit Jahren seitens der AMA-Marketing vorgebrachten Forderungen nach langsam wachsenden Hühnerrassen in der Geflügelzucht sind." 2019 habe man das freiwillige Modul "langsam wachsende Rassen" im AMA-Gütesiegelprogramm initiiert.
Statement von Lidl:
"Lidl spricht sich in aller Deutlichkeit gegen Tierschutzverstöße und Tierquälerei aus – hier gilt null Toleranz. Wir nehmen jegliche Vorwürfe sehr ernst und stehen mit unserem Lieferanten – der neben uns auch weitere Marktteilnehmer beliefert – bereits in Kontakt. Wir haben natürlich sofort reagiert: Der Lieferant darf uns nicht mehr mit Ware aus dem betroffenen Mastbetrieb beliefern. Außerdem wurde der Mastbetrieb bereits seitens der AMA geschlossen.
Lidl setzt sich seit Jahren für die Weiterentwicklung von Tierwohlstandards ein und wird dies auch weiterhin tun. Beispielsweise sind wir Vorreiter mit unserem proaktiven Engagement zur Einführung einer branchenweiten, einheitlichen Haltungskennzeichnung von tierischen Lebensmitteln.
Wir verfolgen die Diskussion um die Europäische Masthuhn-Initiative intensiv und unterstützen das Ziel der Initiative, das Tierwohl in der Geflügelhaltung zu verbessern. Uns ist dabei jedoch wichtig, dass die Komplexität des Themas in seiner gesamten Bandbreite – von den Landwirten bis hin zu den Kunden – berücksichtigt wird. Für uns wurde deutlich, dass sich die global einheitlichen Kriterien der Initiative nicht ausreichend mit den strukturellen Rahmenbedingungen in Österreich vereinbaren lassen. Die Weiterentwicklung des Tierwohls muss daher auch im nationalen Kontext erfolgen und nationale Gegebenheiten, wie zum Beispiel baurechtliche Vorgaben und daraus resultierende Zeitachsen zum Um- und Neubau von Ställen oder gegebenenfalls staatliche Förderprogramme für Stallbauten sowie existierende Tierwohl-Initiativen und Kennzeichnungssysteme, berücksichtigen. Trotzdem haben auch wir uns zu einem sukzessiven Ausbau des Hendl-Sortiments auf Basis der ECC Standards verständigt.
Darüber hinaus bauen wir unser Sortiment von Artikeln mit höheren Haltungsstandards kontinuierlich aus. Bereits jetzt stammt das gesamte dauerhaft gelistete Sortiment bei Hendl-, Schweine- und Rindfleisch zu 100% aus Österreich – knapp ein Viertel des Sortiments bei Hendlfleisch aus verbesserter Tierwohl- oder Bio-Haltung. Auch bei Putenfrischfleisch waren wir der erste heimische Diskonter mit AMA-zertifizierter Ware. Ein weiterer Meilenstein war der Start unserer Tierwohl-Eigenmarke „Fairantwortung fürs Tier“ Anfang des Jahres in den Bereichen Schweine- und Hendlfleisch, Wurst, Frischmilch, Molkereiprodukten und Eiern. Diese Produktlinie werden wir weiter ausbauen. Generell liegt der Fokus unseres Sortiments weiterhin auf Regionalität und Bio-Qualität. Hier haben wir uns das Ziel gesetzt, jeden Eckartikel auch in Bio-Qualität anzubieten. Aktuell kommen wir bereits auf über 300 Bio-Produkte, bis Ende 2023 werden es 350 sein. Wir sehen ausdrücklich auch die Notwendigkeit einer Transformation der Nutztierhaltung in Österreich und werden daher weiter intensiv daran arbeiten, unser Sortiment in Zusammenarbeit mit unseren Partnern und Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette und mit Blick auf die nationalen Kundenbedürfnisse tierwohlgerechter zu gestalten. So können wir realistische Maßnahmen und Mindestziele für uns und unsere Lieferanten definieren und diese Schritt für Schritt in unserem Sortiment umsetzen. Vor diesem Hintergrund prüfen wir mit unseren Partnern weitere Verbesserungsmöglichkeiten in der Nutztierhaltung."