Johann P. erschoss eine Schreibkraft. Jetzt spricht der Witwer.
Es war gleichsam ein Mord aus Versehen, als der Zeichenlehrer Johann Preiss (58) im Bezirksgericht Hollabrunn die Schreibkraft Silvia Mestnik erschoss. Denn die Wut des verkrachten Künstlers richtete sich gegen eine Scheidungsrichterin. Das Opfer war ihm nur im Weg.
Ab Donnerstag steht der Täter vor Gericht. ÖSTERREICH sprach davor mit dem Witwer des Opfers, der mit zwei minderjährigen Töchtern zurückblieb.
ÖSTERREICH: Fast ein Jahr ist es her, dass Ihnen die Ehefrau und Mutter Ihrer Töchter genommen wurde. Donnerstag beginnt der Prozess, kommen die Emotionen jetzt wieder geballt hoch?
Ludwig Mestnik: Das Ganze geht in Wellen. Jetzt ist es wieder besonders schlimm. Auch bei den Kindern.
ÖSTERREICH: Wellen der Wut oder Verzweiflung?
MESTNIK: Ganz verschieden. An manchen Tagen weinen wir, dann bekomme ich wieder furchtbares Herzrasen. Aber es gibt zum Glück auch Tage, an denen wir wieder lachen können.
ÖSTERREICH: Ihre Tochter Lisa wird am 16. Oktober elf Jahre alt.
MESTNIK: Das sind die furchtbarsten Momente. Wie soll man denn ohne die Mama einen glücklichen Geburtstag feiern. Und dann kommt bald Weihnachten. Ich glaube, niemand kann sich vorstellen, was in einem zerbricht, wenn meine neunjährige Tochter Viktoria sagt: Ich will zu meiner Mama.
ÖSTERREICH: Wer hilft?
MESTNIK: Wir haben ein tolles Netz von Verwandten und Freunden, sonst wäre das alles unmöglich. Und ich bin in psychologischer Behandlung, das hilft mir.
ÖSTERREICH: Wollen Sie dem Angeklagten beim Prozess in die Augen schauen?
MESTNIK: Ich werde auf keinen Fall hingehen. Das würde ich nicht ertragen.
ÖSTERREICH: Welches Urteil erwarten Sie?
Mestnik: Alles andere als lebenslang wäre völlig unverständlich. Aber kann man so eine Tat überhaupt sühnen? Wir waren eine intakte Familie. Er hat alles zerstört. Ich kann dem Täter mein Leben lang nicht vergeben.