Erstes Interview
"Ich war bei Fritzl im Gefängnis"
01.11.2010
Bild-Reporter Wolfgang Ainetter schildert das unheimliche Treffen.
Lächelnd kommt er in die Besucherzelle. „Josef Fritzl. Grüß Gott! Aber ich muss mich ja nicht vorstellen. Ich bin ja weltberühmt.“ Fest schüttelt er mir die Hand. Ich denke: Das sind die Hände, die das Kellerverlies bauten. Die Hände, die sein Opfer an ein Bett ketteten und vergewaltigten.
Fritzls Stimme ist selbstsicher und kräftig, nicht mehr leise und brüchig wie beim Prozess. Seine grau-weißen Haare hat Fritzl in der Haft wachsen lassen, nackenlang.
Eineinhalb Stunden Sport
Der Inhaftierte lacht viel beim Interview. „Ich bin mörderisch fit“, sagt er und ist sich seiner Wortwahl nicht bewusst. Mörderisch.
Er erzählt, dass er jeden Tag eineinhalb Stunden Sport macht (Gymnastik, Radfahren im Fitnessraum). Dass er in seiner 11,5-Quadratmeter-Zelle Tomaten und Paprika anpflanzt. Dass er unter den Mördern und Triebtätern auf seiner Station sehr beliebt ist: „Viele kommen mit ihren Sorgen zu mir. Ich bin ein guter Psychologe.“
"Das war Liebe"
Fritzl ist belesen, gebildet, intelligent. Fast charmant wirkt der „alte Verbrecher“. Bis ich ihn auf seine furchtbaren Taten anspreche. Sein Lächeln verschwindet, seine Hände verkrampfen sich. Ich frage ihn, ob er bereut. Fritzl: „Dazu will ich nichts sagen.“ Dann kommt ein einziger, unfassbarer Satz: „Das ............... war Liebe!“
LIEBE? Ich bin geschockt. Der Mann, der sein Opfer 24 Jahre in den Keller sperrte, spricht von Liebe! Ich blicke in die Abgründe eines Mannes, der nichts begriffen hat, kein Unrechtsbewusstsein hat, null Reue zeigt.
70-minütiges Gespräch
Als er einen Gedankengang später von seiner Frau erzählt, verstehe ich, warum Fritzl in der Station für „geistig-abnorme Rechtsbrecher“ einsitzt. Er sagt leise: „Mein Traum ist, dass ich es noch erlebe, hier lebendig rauszukommen. Ich würde später gerne meine Frau pflegen.“
Worte aus einer anderen Welt, Fritzls Welt. Ich sitze einem Mann gegenüber, der immer noch glaubt, dass ihn irgendjemand liebt – ihn, den Tyrannen. Der fest davon überzeugt ist, dass seine Angehörigen ihn nur deshalb nicht besuchen kommen, „… weil sie von der Anstaltsleitung abgefangen werden“.
70 Minuten habe ich mit Fritzl gesprochen. Es war die Begegnung mit einem unbelehrbaren, uneinsichtigen Irren.