Vater Ludwig Koch
"Ich werde Natascha nicht einmal heute sehen"
22.08.2007
Genau vor einem Jahr weinte Ludwig Koch vor Glück, weil seine Tochter ihrem Entführer entkommen war. Jetzt ist er wieder allein und verstört.
ÖSTERREICH: Heute vor einem Jahr ist Ihrer Tochter die Flucht
von ihrem Entführer Wolfgang Priklopil gelungen. Wie haben Sie den 23. 8.
2006 in Erinnerung?
Ludwig KOCH: Es war der verrückteste und
schönste Tag meines Lebens. Ich bin Bäcker und habe in der Nacht wie immer
gearbeitet. Gegen sieben Uhr früh war ich im Bett. Ein paar Stunden später
hat dann mein Telefon geläutet. Dran war mein Freund Hannes Bartsch und hat
gesagt, es gibt da eine unglaubliche Meldung über Natascha.
ÖSTERREICH:
Das war gegen 14 Uhr. Wie haben Sie reagiert?
KOCH: Ich war noch
im Halbschlaf und hab mich überhaupt nicht ausgekannt. Aber dann hat der
Hannes noch einmal angerufen und gesagt, ich soll zur Polizei nach Deutsch
Wagram fahren. Ich bin sofort ins Auto gesprungen.
ÖSTERREICH:
Was ging Ihnen auf der Fahrt durch den Kopf?
KOCH: Ich weiß
nicht. Es war wie ein Glückschock. Sie müssen sich vorstellen: Ich habe
Natascha mehr als acht Jahre lang gesucht. Nur ein Detektiv hat mir für
einen Schilling symbolische Gage geholfen. Ich war nach der langen Zeit
körperlich und nervlich am Ende. Und dann diese Nachricht!
ÖSTERREICH:
Sie hatten die Hoffnung nie aufgegeben?
KOCH: Im Kopf schon,
aber nicht im Herzen. Ich habe mir geschworen, Natascha bis zu meinem
letzten Atemzug zu suchen.
ÖSTERREICH: Wie war das
Wiedersehen?
KOCH: Wunderbar, aber kurz. Übrigens ist dann auch
die Sirny (Nataschas Mutter) gekommen und hat mir nicht einmal die Hand
gegeben. Bekanntlich haben uns ja dann ganz wichtige Fürsorger, Betreuer und
Psychiater unsere Tochter gleich wieder weggenommen.
ÖSTERREICH:
Sie sind noch immer verbittert?
KOCH: Heute würde ich mein Kind
bei der Hand nehmen und mit Natascha nach Hause gehen. Was hätten die
dagegen tun können?
ÖSTERREICH: Aber nach einigen
Wochen hat sich die Situation entspannt.
KOCH: Ja, wir waren fast
so etwas wie eine Familie: Natascha, meine jetzige Frau Georgia und ich, die
Sirny, deren Mutter und Nataschas Halbschwestern. Weihnachten waren alle bei
mir. Zu Nataschas Geburtstag habe ich ein Lokal gemietet, auch zu Ostern
waren wir zusammen - eine schöne Zeit.
ÖSTERREICH:
Abgeschlossene Vergangenheit?
KOCH: Ja, leider. Was soll ich denn
tun, wenn mich die Sirny in ihrem Buch plötzlich nicht mehr Ludwig nennt,
sondern "der Koch" - und einen Schippel Unwahrheiten über mich
verbreitet? Ich möchte diese Frau nie mehr sehen. Unter ihrem Einfluss ist
auch Natascha seit ein paar Wochen für mich nicht mehr erreichbar.
ÖSTERREICH:
Macht Sie das Nahverhältnis Mutter-Tochter traurig?
KOCH:
Aber nein, ich bin nur erstaunt. Ein Beispiel: Natascha ließ sich an
Priklopils Sarg fotografieren und zeigte das Bild unter dem Siegel der
Verschwiegenheit ihrer Mutter. Die begeht den Vertrauensbruch, in ihrem Buch
darüber zu schreiben - und Natascha ist trotzdem bei der Präsentation
anwesend. Verstehen Sie das?
ÖSTERREICH: Sie selbst wollten
nie ein Buch über Ihre verzweifelten Jahre schreiben?
KOCH:
Es gab Angebote, aber ich habe entschieden: Wenn, dann nur gemeinsam mit
Natascha - oder nach ihr.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zum
Vorwurf Ihrer Tochter, öffentlich mit Ihrer Ex zu streiten "wie
die Ozzbornes oder die Lugners"?
KOCH: Gegenfrage: Wer lässt
sich Rufmord gefallen?
ÖSTERRREICH: Was ist eigentlich mit
der Wohnung und dem lebenslangen Job, die Natascha von Medien für Interviews
versprochen wurden?
KOCH: Wüsste ich auch gern.
ÖSTERREICH:
Werden Sie Natascha heute am Jahrestag der Befreiung sehen?
KOCH:
Kaum. Aber irgendwann wird sie sich wieder melden. Denn ich bin der Einzige,
der ihr die Wahrheit sagt.