Trotz der steigenden Zahl der Anzeigen gibt es immer weniger Verurteilungen. Im Durchschnitt führt nur jede 5. Anzeige zu einer Verurteilung.
Im Rahmen einer Pressekonferenz ist am Freitag in Wien eine EU-weite Studie zur Strafverfolgung von Vergewaltigungen vorgestellt worden. Elf Länder wurden vom Daphne-Projekt der EU in Augenschein genommen. Dabei zeigte sich, dass in Österreich die Anzeigen in den vergangenen Jahren leicht ansteigen, während die Verurteilungsquote abnimmt. Nur 17 Prozent der angezeigten Männer werden abgeurteilt.
Jede fünfte Anzeige führt zu Verurteilung
"Dass
nur jede fünfte Anzeige zu einer Verurteilung führt, ist von der
Opferperspektive her beunruhigend. Die Opfer spüren eine Kultur der Skepsis.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass man an ihnen glaubt. Das kann
zu einer Belastung und neuerlichen Traumatisierung führen", sagte
Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in
der Familie.
Hohe Dunkelziffer im privaten Bereich
Europaweit zeigt sich bei
den Täter "ein relativ junges Altersprofil", so Corinna Seith
von der London Metropolitan University. In Österreich fällt auf, dass es
sich bei 41 Prozent um Fremdtäter und bei 14 Prozent um
Kurzzeitbekanntschaften handelt. "Wir hätten mehr Täter im sozialen
Umfeld der Opfer erwartet", räumte Seith ein. Die Dunkelziffer liege in
diesem Bereich offenbar noch immer sehr hoch: "Hier müssen noch
Anstrengungen unternommen werden, um die Erstattung einer Anzeige, die nicht
dem Stereotyp des Überfalls durch einen Fremdtäter entspricht, zu
erleichtern."
Nachgewiesene Verletzungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung. Die Wiener Interventionsstelle wünscht sich daher, dass in jedem Fall von Vergewaltigung zur Beweissicherung sofort eine gerichtsmedizinische Untersuchung durchgeführt wird, sofern die Betroffenen damit einverstanden sind.
Hierzulande sind im Ländervergleich Vergewaltigungs-Anzeigen noch immer eine Seltenheit: Während Schweden auf 100.000 Einwohner 46,5 Anzeigen verzeichnet, werden in Österreich statistisch gesehen 8,5 Vergewaltigungen gemeldet.
Frauenministerin besorgt
"Bei mir schrillen die Alarmglocken,
weil die Zahl der Verurteilungen bei Vergewaltigung in Österreich sinkt",
zeigte sich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (S) am Freitag besorgt,
nachdem sie die EU-Studie zur Vergewaltigung im Detail studiert hatte. Es
könne nicht sein, dass zwar die Zahl der Anzeigen in Österreich steigt, die
Zahl der Verurteilungen wegen Vergewaltigung gleichzeitig jedoch sinkt.
"Was ist da los?", fragte sich Heinisch-Hosek und kündigte an, sofort Gespräche mit Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) aufnehmen zu wollen, um die Gründe für die sinkende Anzahl der Verurteilungen zu erforschen. "Frauen müssen sich darauf verlassen können, dass alles getan wird, damit es auch zu Verurteilungen bei Vergewaltigung kommt", betonte die Ministerin.