Der Künstler André Heller hat in der Nacht auf Mittwoch über seine Zeit am Wiener Jesuiten-Internat berichtet. Er fand sie "ganz widerlich".
"Wir waren mit unserer Verstörung und Ratlosigkeit allein", beschrieb Künstler Andre Heller in der "ZiB24" in der Nacht auf Mittwoch die Situation als ehemaliger Schüler im Jesuiten-Internat Kalksburg (Wien-Liesing), wo er sexuellen Missbrauch mitbekam. Heller zeigte sich nicht überrascht über die jüngst bekanntgewordenen Fälle und geht von einer "ganz geringen Zahl, von der wir wissen" aus - "gemessen an der Wirklichkeit".
- Zuletzt waren mehrere Missbrauchsfälle im Umfeld der katholischen Kirche bekannt worden.
- Anfang Januar hatte Dominic Heinzl über seine Jahre am niederösterreichischen Knabenseminar Hollabrunn erzählt.
Mitschüler missbraucht
Heller berichtete von einem Erzieher
im Kollegium Kalksburg, der Missbrauch begangen habe. Er selbst sei in der
Nacht von dem Mann an den Schläfen gestreichelt worden und habe dafür
Schokolade erhalten. Das habe er "als Zärtlichkeit empfunden".
Womöglich sei dabei aber "etwas ausgelotet" worden, denn
andere im Internat seien missbraucht worden. Die Grenzen seien hier fließend
gewesen.
"Der Teufel war zu Besuch"
Heller beklagte, dass
früher die Justiz nicht mit dem Thema befasst gewesen sei. Damals, als die
Missbrauchsfälle aufflogen, sei der Generalpräfekt erschienen und habe
erklärt: "Der Teufel war zu Besuch bei uns." Alle Betroffenen
sollten sich melden. Dann sei es lediglich zu "jesuitischer Selbstjustiz"
gekommen. Hilfe für Opfer, etwa durch Psychologen, gab es laut Heller damals
nicht. Heute sei es im Gegensatz zu früher "nicht mehr so leicht,
damit davonzukommen".
"Kinderinquisition"
Heller riet Opfern, über das
Geschehene zu sprechen - wenn auch nicht notwendigerweise an die
Öffentlichkeit zu gehen. Der Missbrauch sei "Teil einer
schrecklichen Realität" gewesen. Von seiner Zeit im Internat
sprach der Künstler von "Kinderinquisition": "Ich fand's
eine ganz widerliche Zeit im Internat."
Das Kollegium Kalksburg übertrug 1994 seine Führung dem Schulverein "Vereinigung von Ordensschulen Österreichs". Als Hauptgrund wurde die Personalsituation angesichts kontinuierlich gesunkener Zahlen von Ordensmitgliedern genannt.