Hintergrund
Inzest hinterlässt schwere Spuren
27.04.2008
Inzest und jahrelange Gefangenschaft sorgen bei den Opfern für "jede Kategorie von psychischen Störungen".
Depressionen, Angststörungen, schwere Traumatisierungen bis hin zu psychotischen Störungen seien mögliche Folgen, erklärte Verhaltenstherapeutin Ingeborg Pucher-Matzner vom Berufsverband der österreichischen Psychologen (BÖP). "Da ist wirklich alles dabei."
Folgen für die ganze Familie
Psychische Folgen gebe es für
die gesamte Familie, vor allem die Kinder. Die Tochter der Familie, sei
allerdings jene, die gefangen gehalten wurde und so das am schlimmsten
betroffene Opfer. Sie habe über Jahrzehnte hinweg eine chronische
Traumatisierung erlebt, so Pucher-Matzner. "Das hinterlässt sicher schwerste
Spuren, ob da eine normale Lebensführung möglich ist, ist schwer
vorstellbar." Wichtig sei dabei allerdings die Frage, wie es ihr vor dem
Martyrium gegangen sei - War sie psychische gesund und gesellschaftlich
integriert?
"Absolutes Tabu"
Das gesamte Szenario drehe sich rund
um einen Inzest-Verdacht, also eine schwere sexuelle Abweichung. "Das ist
wirklich ein absolutes Tabu, dass mit Gewalt vertreten wird", beschrieb
Pucher-Matzer Grundzüge der möglichen Situation in der Familie. "Da darf man
nicht dran rüttelnd, sonst gibt es Konsequenzen." Denn bei Inzest gehe
generell eine wichtige Schranke zwischen Eltern und Kindern verloren.
Beziehung untereiner entscheidend
Insofern seien auch die Kinder
in der Familie extrem belastet, betonte die Psychologin. Dabei stelle sich
wiederum die Frage, was die Minderjährigen erleben musste, ob es zu Gewalt
oder ebenfalls zu Inzest gekommen sei. Ausschlaggebend sei auch die
Beziehung zu den Familienmitgliedern, alle voran den Großeltern. Bei der
Großmutter stelle sich die Frage inwiefern sie zum Opfer wurde oder als
Täterin involviert gewesen sei. In dem Zusammenhang müssten dann auch die
psychischen Folgen für die Frau gesehen werden.
"Ein spezieller Fall"
Auch wenn noch wenig über die von
ihrem Vater gefangen gehaltene Frau aus Niederösterreich bekannt ist, sprach
Cornel Binder-Krieglstein vom Berufsverband der österreichischen Psychologen
schon von einem "speziellen Fall". Für den Experten ist die Überlagerung von
mehreren Faktoren erschreckend. Es dürfte sich hier nicht nur um einen
Missbrauch im eigenen Umfeld am eigenen Kind über längere Zeit handeln,
sondern auch das zusätzliche Einsperren des Opfers. "Das ist sehr
auffällig", sagte Binder-Krieglstein.